Entscheidungsstichwort (Thema)

Versorgungsausgleich nach deutschem Recht, obwohl dieses nicht Scheidungsstatut ist; Ausschluss der Durchführung dieses Versorgungsausgleichs aus Gründen der Billigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Art. 17 III 2 EGBGB a.F. ermöglicht nur ausnahmsweise die Durchführung eines Versor-gungsausgleichs nach deutschem Recht, obwohl dieses nicht Scheidungsstatut ist.

2. Die Durchführung des Versorgungsausgleichs kann der Billigkeit widersprechen, wenn nur ein Ehegatte eine inländische Altersversorgung aufgebaut hat, die zum Ausgleich herangezogen werden kann, während der andere Vermögenswerte im Ausland besitzt, die für einen Versorgungsausgleich nicht in Betracht kommen.

 

Normenkette

EGBGB Art. 17; VersAusglG § 19 II Nr. 4

 

Verfahrensgang

AG Bremen-Blumenthal (Beschluss vom 23.12.2014; Aktenzeichen 71a F 357/10)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Bremen-Blumenthal vom 23.12.2014 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin gegeneinander aufgehoben. Ihre außergerichtlichen Kosten tragen die Beteiligten jeweils selbst.

3. Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.

4. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.300 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragsgegnerin und der Antragsteller streiten über die Durchführung des Versorgungsausgleichs.

Sie hatten am 17.8.1985 in Afghanistan geheiratet, waren im November 1991 nach Russland ausgereist und hatten seit November 1992 keinen gemeinsamen Lebensmittelpunkt mehr. Der Antragsteller siedelte sich in Deutschland an, während die Antragsgegnerin mit den gemeinsamen Söhnen über das frühere Jugoslawien in die USA ausreiste, wo sie seit Januar 1998 lebt. Der Antragsteller hatte am 24.3.1995 erneut geheiratet, nachdem durch das Land Nordrhein-Westfalen am 2.11.1994 seine Scheidung von der Antragsgegnerin nach islamischem Recht anerkannt worden war. Die letztgenannte Entscheidung ist durch das OLG Düsseldorf am 10.9.2009 aufgehoben worden. Daraufhin hat der Antragsteller am 20.4.2010 einen Scheidungsantrag gestellt, der der Antragsgegnerin am 19.8.2011 zugestellt worden ist. Mit Beschluss vom 29.10.2013 sind die Antragsgegnerin und der Antragsteller geschieden worden. Zugleich ist das Versorgungsausgleichsverfahren abgetrennt worden. Die Antragsgegnerin hat die Durchführung des Versorgungsausgleichs beantragt. Mit Beschluss vom 23.12.2014 hat das AG - Familiengericht - Bremen-Blumenthal den Antrag der Antragsgegnerin auf Durchführung des Versorgungsausgleichs zurückgewiesen. Gegen diesen ihrer Verfahrensbevollmächtigten am 14.1.2015 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 13.2.2015 beim AG Bremen-Blumenthal Beschwerde eingelegt, mit der sie weiterhin die Durchführung des Versorgungsausgleichs begehrt, "zumindest" die Verweisung "auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich". Der Antragsteller beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und ihm Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung seiner Verfahrensbevollmächtigten zu gewähren.

II.1. Die statthafte (§ 58 FamFG), form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig, aber unbegründet. Das AG - Familiengericht - Bremen-Blumenthal hat in der angefochtenen Entscheidung zu Recht davon abgesehen, zwischen den ehemaligen Eheleuten den Versorgungsausgleich durchzuführen.

Auf den vorliegenden Fall ist Art. 17 Abs. 3 EGBGB a.F. anzuwenden, da das Scheidungsverfahren am 20.4.2010 und somit vor dem 28.1.2013, dem Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der heutigen Neuregelung des Art. 17 Abs. 3 EGBGB (vgl. Art. 229 § 28 Abs. 2 EGBGB), eingeleitet worden ist.

Nach Art. 17 Abs. 3 S. 1 EGBGB a.F. unterliegt der Versorgungsausgleich dem nach Art. 17 Abs. 1 S. 1 EGBGB a.F. anzuwendenden Recht. Gemäß Art. 17 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Art. 14 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB a.F. ist auf die Scheidung der ehemaligen Ehegatten das afghanische Recht anzuwenden. Die Voraussetzungen aller anderen in Art. 14 Abs. 1 EGBGB a.F. genannten Fallkonstellationen sind hier nicht einschlägig, was in dem im vorliegenden Verfahren eingeholten Rechtsgutachten vom 15.8.2013 (Bl. 202 der Akte) zutreffend dargestellt wird. Das afghanische Kollisionsrecht enthält keine Rückverweisung auf das deutsche Recht, wie sich ebenfalls aus dem vorerwähnten Rechtsgutachten vom 15.8.2013 ergibt. Nach Art. 17 Abs. 3 S. 1 Halbs. 2 EGBGB a.F. ist der Versorgungsausgleich aber nur durchzuführen, wenn nach Art. 17 Abs. 1 S. 1 EGBGB a.F. deutsches Recht anzuwenden ist und das Recht eines der Staaten, denen die Ehegatten im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags angehören, einen Versorgungsausgleich kennt. Im vorliegenden Fall fehlt es bereits an der Anwendbarkeit des deutschen Rechts, weshalb ein Versorgungsausgleich nicht gem. Art. 17 Abs. 3 S. 1 EGBGB a.F. durchgeführt werden kann.

In derartigen Fällen ermöglicht allein die Rege...

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