Entscheidungsstichwort (Thema)

Entzug der elterlichen Sorge, Missbrauch von Betäubungsmitteln, einstweilige Anordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Ist davon auszugehen, dass Betäubungsmittel an Kinder verabreicht worden oder auf sonstige Weise in deren Körper gelangt sind (hier: Nachweis von Kokain und Methadon durch Haaranalysen), so kann dies den teilweisen Entzug der elterlichen Sorge im Wege der einstweiligen Anordnung rechtfertigen.

 

Normenkette

BGB §§ 1666, 1666a

 

Verfahrensgang

AG Bremen (Beschluss vom 26.01.2011; Aktenzeichen 63 F 4958/10)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Kindesmutter gegen den Beschluss des AG - Familiengerichts - Bremen vom 26.1.2011 wird zurückgewiesen.

2. Der Antrag der Kindesmutter auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.

3. Dem Kindesvater wird ratenfreie Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren bewilligt und Rechtsanwältin Schaefer, Bremen, beigeordnet.

4. Gerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

5. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf EUR 1.500 festgesetzt.

 

Gründe

I. M. und C. stammen aus der nichtehelichen Beziehung der Kindeseltern, die keine Sorgeerklärung abgegeben haben.

Mit Schreiben vom 14.12.2010 hat das Jugendamt [...] dem Familiengericht mitgeteilt, bei der Kindesmutter sei durch einen Laborbericht vom 2.11.2010 der Missbrauch von Betäubungsmitteln festgestellt worden. Die Kindesmutter werde seit über sieben Jahren mit Methadon substituiert. Der vorgenannte Laborbericht habe eindeutige Hinweise auf Beigebrauch von Kokain ergeben. Daraufhin habe das Jugendamt eine Haaranalyse bei der Kindesmutter und den Kindern veranlasst. Nach deren Ergebnis stehe fest, dass beiden Kindern Betäubungsmittel zugeführt worden seien. Aufgrund der nachgewiesenen Konzentration der Stoffe in den Haaren der Kinder sei sicher davon auszugehen, dass diese durch den Körper transportiert worden seien. Die oberflächliche Zubringung sei ausgeschlossen.

Das AG - Familiengericht - Bremen hat daraufhin der Kindesmutter im Wege der einstweiligen Anordnung zunächst ohne mündliche Erörterung das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das Recht der Gesundheitsfürsorge für C. und M. sowie das Recht entzogen, öffentliche Hilfen und Leistungen für die Kinder zu beantragen. Zugleich hat es die Pflegschaft angeordnet und das Jugendamt Bremen als Pfleger bestimmt. Aus den Akten ist ersichtlich, dass den Kindern im parallel anhängigen Hauptsacheverfahren ein Verfahrensbeistand bestellt worden ist.

Mit Schriftsatz vom 24.1.2011 hat die Kindesmutter beantragt, die einstweilige Anordnung vom 17.12.2010 aufzuheben und ihr die entzogenen Teile der elterlichen Sorge wieder zu übertragen. Mit Schriftsatz vom 25.1.2011 hat der Kindesvater beantragt, den Beschluss des AG Bremen vom 17.12.2010 aufzuheben und zugleich im Wege der vorläufigen Anordnung zunächst bis zur Übertragung der vollständigen elterlichen Sorge auf die Kindesmutter ihm, dem Kindesvater, die elterliche Sorge für die Kinder C. und M. zu übertragen. Das Familiengericht hat die Kindeseltern, das Jugendamt, den Amtspfleger und den Verfahrensbeistand am 26.1.2011 angehört. Mit Beschluss vom 26.1.2011 hat es die einstweilige Anordnung vom 17.12.2010 aufrechterhalten. Mit Schriftsatz vom 17.2.2011 hat die Kindesmutter zunächst beantragt, ihr für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen. Für den Fall der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe hat sie beantragt, den Beschluss des Familiengerichts vom 26.1.2011 aufzuheben. Mit Schriftsatz vom 24.2.2011 hat sie unabhängig von der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe Beschwerde gegen den Beschluss vom 26.1.2011 eingelegt.

Die Kinder sind im Beschwerdeverfahren angehört worden. Auf den Anhörungsvermerk vom 18.3.2011 wird Bezug genommen.

II. Die Beschwerde ist gem. §§ 57 S. 2 Nr. 1, 58 Abs. 1 FamFG statthaft und gem. §§ 59, 63 ff. FamFG auch im Übrigen zulässig. In der Sache ist sie jedoch unbegründet.

1. Das Familiengericht hat der Kindesmutter zu Recht im Wege der einstweiligen Anordnung die im Beschluss vom 26.1.2011 genannten Teilbereiche der elterlichen Sorge für C. und M. entzogen und das Jugendamt als Pfleger bestellt. Gemäß § 1666 Abs. 1 BGB hat das Familiengericht die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl eines Kindes gefährdet ist und die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden. Eine solche Gefahr liegt regelmäßig vor, wenn die Erziehungsfähigkeit der Eltern nicht besteht oder erheblich eingeschränkt ist. Das ist bei Drogensucht eines Elternteils in der Regel der Fall (Diederichsen, in: Palandt, Kommentar zum BGB, 70. Aufl. 2011, § 1666 BGB Rz. 14; Völker/Clausius, Sorge- und Umgangsrecht in der Praxis, 4. Aufl. 2011, § 1 Rz. 160; Olzen in MünchKomm/BGB, 5. Aufl. 2008, § 1666 BGB Rz. 117).

Auch im vorliegenden Fall ist aufgrund der im einstweiligen Anordnungsverfahr...

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