Leitsatz (amtlich)
Ein Recht des potentiellen biologischen Vaters zur Anfechtung der Vaterschaft besteht wegen der Sperrwirkung des § 1600 Abs. 2 BGB (Bestehen einer sozial-familiären Beziehung zwischen Kind und rechtlichem Vater) auch dann nicht, wenn zwischen Kind und potentiellem biologischen Vater bereits früher eine sozial-familiäre Beziehung begründet worden war. Das gilt jedenfalls dann, wenn diese sozial-familiäre Beziehung ihrer Qualität nach der zwischen Kind und rechtlichem Vater nunmehr bestehenden sozial-familiären Beziehung nicht zumindest gleichwertig ist.
Verfahrensgang
AG Bremen (Beschluss vom 08.12.2011) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Bremen vom 8.12.2011 wird zurückgewiesen.
Von der Erhebung von Auslagen für das eingeholte Abstammungsgutachten wird abgesehen. Im Übrigen trägt der Antragsteller die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird auf EUR 2.000 festgesetzt.
Dem Beteiligten zu 5. wird für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung unter Beiordnung von Rechtsanwältin B., Berlin, zu den Bedingungen eines im Bezirk des Beschwerdegerichts niedergelassenen Rechtsanwalts bewilligt.
Gründe
I. Der Antragsteller und die Kindesmutter führten eine - seit spätestens März 2008 beendete - nichteheliche Beziehung ohne gemeinsamen Haushalt, deren Intensität von ihnen unterschiedlich dargestellt wird. Für die aus dieser Beziehung hervorgegangenen Kinder A., geb. am [...]1995, und B., geb. am [...]1997, hat der Antragsteller am 22.2.2011 die Vaterschaft mit am 7.3.2011 erklärter Zustimmung der Kindesmutter anerkannt. Im Jahr 2006 reisten der Antragsteller, die Kindesmutter, die Kinder A. und B. sowie die am [...]2000 von der Kindesmutter geborenen Zwillinge C. und D. - die Betroffenen zu 1. und 2. - gemeinsam nach Ghana. Auch die Intensität der Beziehung des Antragstellers zu den Kindern, insbesondere zu den Zwillingen, wird von den Beteiligten unterschiedlich dargestellt.
Für C. und D. hat der Beteiligte zu 5. am 27.10.2010 mit Zustimmung der Kindesmutter vom selben Tag die Vaterschaft anerkannt. Ebenfalls am 27.10.2010 haben der Beteiligte zu 5. und die Kindesmutter Sorgeerklärungen für diese beiden Kinder abgegeben. Der Beteiligte zu 5. ist seit dem 3.10.2010 unter der Wohnanschrift der Kindesmutter und der Kinder gemeldet. Am 14.10.2011 hat er mit der Kindesmutter die Ehe geschlossen.
Der Antragsteller begehrt die Feststellung, dass nicht der Beteiligte zu 5., sondern er, der Antragsteller, der Vater der Zwillinge C. und D. ist. Im Termin des Familiengerichts vom 11.3.2011 hat er an Eides statt versichert, mit der Kindesmutter während der Empfängniszeit für C. und D. sexuelle Kontakte gehabt zu haben. Mit Beschluss vom 8.12.2011 hat das Familiengericht die Anträge des Antragstellers mit Rücksicht auf das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung zwischen den Kindern und dem Beteiligten zu 5. zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, mit der er sein erstinstanzliches Ziel weiterverfolgt. Der Antragsteller macht geltend, dass er der leibliche Vater nicht nur der Kinder A. und B., sondern auch der Kinder C. und D. sei. Dies sei den Kindern aufgrund des Zusammenlebens bis zur Beendigung der Beziehung zwischen ihm und der Kindesmutter auch bekannt. Zwischen ihm und den Kindern sei eine sozial-familiäre Beziehung entstanden. Diese könne nicht wieder aufgelöst und durch eine neue ersetzt werden, mit der Folge, dass die Kinder einen anderen Vater bekommen. Der Beteiligte zu 5. habe die Vaterschaft im Übrigen lediglich aus aufenthaltsrechtlichen Gründen anerkannt.
Der Senat hat ein Abstammungsgutachten eingeholt, das die biologische Vaterschaft des Antragstellers zu den Kindern C. und D. bestätigt. Wegen der Einzelheiten wird auf das schriftliche Gutachten der Sachverständigen Dr. M. vom 12.9.2012 Bezug genommen.
Die Beteiligten hatten Gelegenheit zur schriftlichen Äußerung im Beschwerdeverfahren.
II. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Bremen vom 8.12.2011 ist gem. § 58 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Vielmehr hat das Familiengericht die Anträge des Antragstellers zu Recht zurückgewiesen.
Dem Antragsteller steht ein Recht zur Anfechtung der - aufgrund wirksamer Vaterschaftsanerkennung - nach § 1592 Nr. 2 BGB bestehenden Vaterschaft des Beteiligten zu 5. zu den Kindern C. und D. nicht zu. Nach § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist zur Vaterschaftsanfechtung der Mann berechtigt, der - wie hier der Antragsteller - an Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben. Sein Anfechtungsrecht setzt jedoch - im Sinne eines Erfordernisses der Begründetheit des Anfechtungsantrags (vgl. BGH FamRZ 2007, 538, 539) - nach § 1600 Abs. 2 BGB voraus, dass zwischen dem Kind und seinem rechtlichen Vater keine sozial-familiäre Beziehung beste...