Verfahrensgang
AG Bremerhaven (Aktenzeichen 152 F 66/00) |
Tenor
Dem Beklagten wird für die Berufung Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von RA Rojahn bewilligt.
Gründe
Das AG – FamG – Bremerhaven hat mit Urt. v. 12.12.2001 die von den Parteien erhobenen Klagen abgewiesen, mit denen diese die Abänderung des Urteils des AG – FamG – Bremerhaven vom 7.6.2000 (152 F 66/00) begehrt haben. Darin war der Kläger verurteilt worden, an den Beklagten einen monatlichen Unterhalt von 447 DM zu zahlen. Der Beklagte beabsichtigt, gegen dieses Urteil mit dem Ziel der Verurteilung des Klägers zu weiteren monatlichen Unterhaltsleistungen von 109 DM, insgesamt von 556 DM, ab 1.1.2002 von weiteren 55,73 EUR, insgesamt 284,27 EUR Berufung einzulegen, und hierfür beantragt er Prozesskostenhilfe.
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Beklagten hat hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S.d. § 114 ZPO, so dass ihm antragsgemäß Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten zu bewilligen war.
Allerdings hat das FamG den vom Kläger zu zahlenden Unterhalt zutreffend allein an Hand seines Einkommens ermittelt. Die Eltern des volljährigen privilegierten Kindes haften zwar gem. § 1606 Abs. 3 BGB für dessen Bedarf anteilig im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit, da Betreuungsunterhalt nicht mehr geschuldet wird. Dabei hat der Kläger jedoch höchstens den Betrag zu zahlen, der sich ergibt, wenn er dem Beklagten allein zum Unterhalt verpflichtet wäre. Dieser Betrag ist, wie das FamG ermittelt hat, geringer als derjenige, der sich ergibt, wenn der Bedarf des Beklagten an Hand des zusammengerechneten Einkommens seiner Eltern festgestellt und sodann deren Haftungsquoten nach dem ihnen nach Abzug weiterer Unterhaltslasten und des Selbstbehalts verbleibenden Betrages bestimmt wird. Auf die vom Beklagten erhobenen Einwendungen gegen die Berechnung dieser Haftungsanteile der Eltern kommt es daher nicht an.
Ausgehend von dem unstreitigen monatlichen Nettoeinkommen des Klägers von 2.940 DM ist der Tabellenbetrag unter Beachtung des Bedarfskontrollbetrages der 1. Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle zu entnehmen. Dieser beträgt ergibt 606 DM, ab 1.1.2002 311 EUR. Dieser ist gleichzeitig der vom Kläger geschuldete Zahlbetrag, denn das Kindergeld, dass die Mutter des Beklagten bezieht, ist hierauf gem. § 1612b Abs. 5 BGB nicht anzurechnen.
Ov diese Vorschrift auf dn Unterhaltsanspruch des volljährigen privilegierten Kindes analog anzuwenden ist, ist im Schriftum umstritten. Gegen die entsprechende Anwendung wird eingewandt, § 1612b BGB sei auf minderjährige Kinder zugeschnitten, da das Gesetz einen Regelbetrag als Bemessungsfaktor beim Unterhalt des volljährigen Kindes nicht kenne. Die Vorschrift müsse auch nicht zuletzt deswegen eingeschränkt ausgelegt werden, sei also der analogen Anwendung auf das volljährige priviligierte Kind nicht zugänglich, weil sie die verfassungsmäßig ohnehin fragwürdige Konsequenz habe, alle Unterhaltsschuldner, deren Einkommen den Beträgen der ersten sechs Einkommensgruppen entsprechen, mit gleich hohen Zahlungen zu belasten, obewohl der identische Zahlbetrag Schuldner mit niedrigerem Einkommen ungleich härter belaste als solche mit Einkünften etwa der Gruppe 6 (vgl. Scholz, FamRZ 2000, 1541; FamRZ 2001, 1048, Vossenkämper FamRZ 2000, 1547 [1551]; Pieper, FuR 2001, 11; Palandt/Diederichsen, BGB, 61. Aufl., § 1612b Rz. 12, Wendl/Scholz 5. Aufl. Nachtrag § 2 Rz. 510, § 5 Rz. 90). Dieser Ansicht vermag der Senat nicht zu folgen.
Nachdem in einer 4. Altersstufe auch für die privilegierten Volljährigen einkommensabhängige Tabellensätze entwickelt worden sind, die die Beträge der 3. Altersgruppe übersteigen, kann es nicht richtig sein, dass das im Haushalt der Eltern lebende Kind in den ersten fünf Einkommensstufen der Düsseldorfer Tabelle mit der vollendung seines 18. Lebensjahres weniger Unterhalt erhält als zuvor, obwohl alle sonstigen Verhältnisse unverändert sind und nur der Anspruch auf Betreuungsunterhalt entfallen ist (vgl. Wohlgemuth, FamRZ 2001, 742; Graba, NJW 2001, 249 [254]; FamRRefK/Häußermann, § 1612b Rz. 15). Genau wie das minderjährige Kind wird auch das volljährige Kind in der allgemeinen Schulausbildung von einer Erwerbsverpflichtung freigestellt, damit es einen Schulabschluss erlangen kann, der ihm die Aufnahme eines Studiums oder einer qualifizierten Berufsausbildung ermöglicht. Deswegen werden seinen Eltern von Gesetzes wegen besondere Opfer auferlegt. Dieser Schutz des volljährigen privilegierten Kindes gegenüber anderen volljährigen Kindern ginge aber – teilweise – ins Leere, wenn nicht auch sein Existenzminimum durch eine entsprechende Anwendung des § 1612b Abs. 5 BGB Beachtung fände.
Somit schuldet der Kläger dem Beklagten einen monatlichen Unterhalt von 606 DM. Da dieser mit der Berufung lediglich die Verurteilung zu einem monatlichen Betrag von 556 DM, ab 1.1.2002 von 284,27 EUR begehrt, hat die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S.d. § 114 ZPO.
Fundstellen