Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Ausschlusswirkung der spezialgesetzlichen Prospekthaftung gegenüber einer Haftung nach den Grundsätzen der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung auch im Fall eines Treuhandkommanditisten sowie zur Bindungswirkung des Vorlagebeschlusses im Kapitalanleger-Musterverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Grundsatz, dass im Anwendungsbereich einer spezialgesetzlichen Prospekthaftung ein Rückgriff auf eine bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung ausgeschlossen ist, gilt auch gegenüber einer Haftung eines Treuhandkommanditisten wegen einer Verletzung seiner Aufklärungspflichten bezüglich der Beteiligung gegenüber den treuhänderisch beteiligten Anlegern, soweit zur Erfüllung dieser Pflichten der Prospekt verwendet wurde.

2. Wegen der Bindungswirkung des Vorlagebeschlusses nach § 6 Abs. 1 S. 2 KapMuG hat allein das Prozessgericht nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG darüber zu befinden, ob der Musterverfahrensantrag wegen einer fehlenden Abhängigkeit der Entscheidung des zugrunde liegenden Rechtsstreits von dem geltend gemachten Feststellungsziel unzulässig ist. Das Oberlandesgericht hat nach dieser Regelung keine Kompetenz zur Überprüfung, ob die Vorlageentscheidung zu Recht ergangen ist.

3. Das Sachentscheidungsinteresse für einen Feststellungsantrag im Kapitalanleger-Musterverfahren, der auf einzelne Voraussetzungen einer Haftung nach den Grundsätzen einer bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung gerichtet ist, fehlt, wenn auf Grundlage der bisherigen Ergebnisse der Prüfung durch das Oberlandesgericht festzustellen ist, dass eine Haftung der Musterbeklagten aus Prospekthaftung im weiteren Sinne wegen des Vorrangs der spezialgesetzlichen Prospekthaftung aus Rechtsgründen ausgeschlossen ist. Das betreffende Feststellungsziel ist dann für gegenstandslos zu erklären.

 

Normenkette

BGB §§ 241, 280, 311; BörsG § 44; BörsG a.F. § 46; KapMuG § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 6 Abs. 1 S. 2, § 8 Abs. 1 S. 1; VerkProspG § 13 a.F.

 

Verfahrensgang

LG Bremen (Aktenzeichen 4 O 1585/14)

 

Tenor

Das Feststellungsziel zu Ziff. 2. aus dem Vorlagebeschluss des Landgerichts Bremen vom 26.10.2017 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Feststellungsziele zu Ziff. 1. und Ziff. 3. aus dem Vorlagebeschluss des Landgerichts Bremen vom 26.10.2017 sind gegenstandslos.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten im Rahmen eines Verfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) um die Unrichtigkeit des Verkaufsprospekts der A. GmbH & Co. KG (nachfolgend: Fondsgesellschaft) sowie weiterer Voraussetzungen einer Haftung der Musterbeklagten aus Prospekthaftung im weiteren Sinne wegen der Beteiligung an diesem Immobilienfonds.

Bei der Fondsgesellschaft handelt es sich um eine Immobilienfonds-Gesellschaft, die in ein Bürogebäude in B. (USA) investiert hatte. Am 29.07.2005 wurde der Prospekt der Fondsgesellschaft aufgestellt. Die Fondsgesellschaft erwarb nach dem Fondskonzept eine Beteiligung von 90 % an der US-amerikanischen Immobiliengesellschaft C. Partnership, die wiederum Eigentumsrechte an einer Büroimmobilie in B. ("...") zu einem Brutto-Kaufpreis von USD 132.850.000,- erworben hatte. Den Prospektangaben zur geplanten Laufzeit und zu den Ertragsprognosen wurde die Annahme einer Beendigung der Fondsgesellschaft nach 9,5 Jahren (d.h. Ende 2014) zugrunde gelegt und es wurde im Prospekt dargelegt, dass - vorbehaltlich einer entsprechenden Liquidität der Gesellschaft - ab dem Zeitraum für das Jahr 2005 (in diesem Jahr noch anteilig) Ausschüttungen von 7 % p.a. der Eigenmittel vorgesehen seien, ansteigend auf 8 % p.a. für das Jahr 2014. Unter Berücksichtigung einer Vielzahl von Unwägbarkeiten und ausgehend von der Annahme eines prospektgemäßen Verlaufs wurden in dem Prospekt nicht abgezinste Liquiditätsüberschüsse zwischen 120,9 % und 141, 2 % des Eigenkapitals der Beteiligungsgesellschaft für die Anleger prognostiziert, wobei angegeben wurde, dass das tatsächliche Ergebnis auch deutlich besser oder auch erheblich schlechter ausfallen könne. In einem Gutachten vom 21.10.2005 bestätigte die Nebenintervenientin im Auftrag der Anbieterin der Beteiligung die Richtigkeit und Vollständigkeit dieses Prospekts.

Die Musterbeklagte (vormals firmierend als ...) war nach den Prospektangaben als Kommanditistin und Gründungsgesellschafterin und Treuhandkommanditistin der Fondsgesellschaft. Alleinige Gesellschafterin der Musterbeklagten war die D. GmbH, deren alleinige Gesellschafterin die E. AG war. Das Beteiligungskonzept wurde entwickelt von der F. GmbH, deren Gesellschafterin ebenfalls die D. GmbH war. Nach den Prospektangaben haben die Verantwortung für den Inhalt des Prospekts übernommen die Fondsgesellschaft als Emittentin und die G. GmbH als Anbieterin, die auch mit dem Vertrieb der Anlage betraut war. Persönlich haftende Gesellschafterin der Fondsgesellschaft war die H. GmbH, deren alleinige Gesellschafterin die I. GmbH war, deren alleinige Gesellschafterin wiederum die E. AG war. Alleinige Gesellschafterin der G. GmbH war die J. GmbH, der...

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