Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung der Fahrtkosten des Umgangsberechtigten bei der Beurteilung seiner Leistungsfähigkeit für den Kindesunterhalt

 

Leitsatz (amtlich)

Fahrtkosten, die dem in größerer Entfernung von seinen Kindern wohnenden Umgangsberechtigten anlässlich von einmal monatlich stattfindenden Umgangskontakten entstehen, sind - wenn sie weder aus Kindergeld noch aus anderen Mitteln getragen werden können - bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit für den Kindesunterhalt in vollem Umfang zu berücksichtigen.

 

Normenkette

BGB §§ 1603, 1684

 

Verfahrensgang

AG Bremen (Beschluss vom 17.09.2007; Aktenzeichen 60 F 1812/07)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des AG - FamG - Bremen vom 17.9.2007 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Zwar ist nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Antragsteller zu den beruflichen Möglichkeiten des Antragsgegners (gelernter Einzelhandelskaufmann, routinierter Verkaufsfahrer) davon auszugehen, dass dieser - wenn er sich mit den angesichts seiner gesteigerten Unterhaltspflicht (§ 1603 II S. 1 BGB) gebotenen Anstrengungen bemühen würde - ein Bruttoeinkommen in dem von den Antragstellern behaupteten Umfang, also i.H.v. etwa 1.800 EUR verdienen könnte. Doch wäre der Antragsgegner, wie schon das FamG in dem angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt hat, auch mit einem solchen Einkommen nicht, und zwar auch nicht teilweise, leistungsfähig.

Bei einem Bruttoeinkommen von 1.800 EUR ergäbe sich ein Nettoeinkommen des Antragsgegners von rund 1.200 EUR. Zieht man die von den Antragstellern zugestandenen berufsbedingten Aufwendungen von 5 % (60 EUR) und den Selbstbehalt von 900 EUR (bis 30.6.2007: 890 EUR) ab, verbleiben verfügbar zunächst 240 EUR (bis 30.6.2007: 250 EUR). Dieser Betrag steht aber für Unterhaltszwecke deshalb nicht zur Verfügung, weil der Antragsgegner ihn für die Kosten benötigt, die ihm im Zusammenhang mit der Ausübung seines Umgangsrechts mit den Antragstellern, zumindest mit dem Antragsteller zu 1., entstehen.

Nach der neueren Rechtsprechung des BGH (FamRZ 2005, 706, mit Anm. Luthin = FamRB 2005, 163 [Hauß]) sind die mit der Ausübung des Umgangsrechts verbundenen Kosten unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen, wenn und soweit sie nicht anderweitig, insbesondere nicht aus dem anteiligen Kindergeld, bestritten werden können. Dies folgt daraus, dass das Unterhaltsrecht dem Unterhaltspflichtigen nicht die Möglichkeit nehmen darf, sein Umgangsrecht zur Erhaltung der Eltern-Kind-Beziehung auszuüben.

Im vorliegenden Fall stehen dem Antragsgegner außer seinem Einkommen keine Mittel zur Verfügung, aus denen er die Kosten des Umgangsrechts bestreiten könnte, insbesondere kein Kindergeld. Er muss bei seinen monatlichen Besuchskontakten, wie er im Einzelnen dargelegt hat, jeweils 1.280 Kilometer mit dem Pkw fahren, nachdem die Kindesmutter zusammen mit den Kindern vom vormaligen Wohnort der Familie weggezogen ist. Eine Einschränkung der Besuchskontakte, wie sie die Antragstellerseite anregt, ist dem Antragsgegner angesichts der Bedeutung des unter dem Schutz des Art. 6 II S. 1 GG stehenden Rechts auf Umgang (BVerfG, FamRZ 2002, 809) nicht zumutbar; sie würde auch dem Wohl der Kinder zuwiderlaufen. Möglichkeiten zur Reduzierung der Kosten sind gegenwärtig nicht ersichtlich; dass die Antragsteller - oder auch nur der Antragsteller zu 1., der allein offenbar zur Zeit den Antragsgegner besucht - schon allein in der Lage wären, mit der Bahn zu reisen, ist nicht anzunehmen, zumal die Antragsteller dies auch nicht geltend machen.

Der Höhe nach belaufen sich die - von den Antragstellern nicht substantiiert bestrittenen - monatlichen Fahrtkosten des Antragsgegners anlässlich der Besuchskontakte bei Zugrundelegung eines Kilometersatzes von 0,20 EUR (vgl. dazu Nr. 10.2.2 der Unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Familiensenate des OLG Bremen vom 1.7.2005) auf 256 EUR. Die Kosten übersteigen damit den Betrag, der dem Antragsgegner nach dem oben Gesagten oberhalb des notwendigen Selbstbehalts noch zur Verfügung steht. Nach Ansicht des Senats sind die Fahrtkosten auch in voller Höhe und nicht etwa nur zum Teil berücksichtigungsfähig (in diesem Sinne auch Eschenbruch/Klinkhammer/Mittendorf, Der Unterhaltsprozess, 4. Aufl., Rz. 6590a). Der notwendige Selbstbehalt ist so bemessen, dass daraus Reserven, aus denen Kosten der vorliegenden Art noch getragen werden könnten, nicht zur Verfügung stehen, zumal aus ihm auch die Ausgaben, die während der Ausübung des Umgangs neben den Fahrtkosten anfallen, bestritten werden müssen. Würde man dem Antragsgegner ansinnen, einen Teil der Fahrtkosten aus seinem notwendigen Selbstbehalt zu bestreiten, könnte ihn dies möglicherweise zwingen, die Umgangskontakte einzuschränken - eine Folge, die auch nicht im Interesse der Antragsteller läge.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1825919

NJW 2008, 1237

FamRZ 2008, 1274

FPR 2008, 177

NJW-Spezial 2008, 196

ZFE 2008, 194

ZFE 2008...

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