Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Berechnung der gegen den Prozessgegner festzusetzenden außergerichtlichen Kosten bei der Vertretung mehrerer Streitgenossen durch einen gemeinsamen Rechtsanwalt

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Fall der Vertretung mehrerer Streitgenossen durch einen gemeinsamen Rechtsanwalt ist jeder einzelne Streitgenosse hinsichtlich der Geltendmachung der auf seiner Seite angefallenen Anwaltskosten gegen den Prozessgegner Anteilsgläubiger gemäß § 420 BGB und kann daher im Kostenfestsetzungsverfahren gegen den Prozessgegner nur den auf ihn entfallenden Kostenanteil beanspruchen, dessen Höhe wiederum sich nach dem Innenverhältnis der Streitgenossen und deren Beteiligung am Prozess bestimmt.

2. Im Rahmen der Kostenfestsetzung einzelner durch einen gemeinsamen Rechtsanwalt vertretener Streitgenossen im Verhältnis zur Gegenseite sind zur Bestimmung der zu verteilenden Anwaltskosten auch angefallene Erhöhungsgebühren nach RVG VV Nr. 1008 (Mehrvertretungsgebühr) zu berücksichtigen, da hier jeder einzelne Streitgenosse den auf ihn entfallenden Anteil der insgesamt anfallenden Anwaltskosten geltend machen kann.

3. Die Erhöhungsgebühr nach RVG VV Nr. 1008 (Mehrvertretungsgebühr) ist nicht auf den gesamten Gegenstandswert des Verfahrens zu berechnen, sondern nur in der Höhe, in der mehrere Auftraggeber an dem Verfahrensgegenstand beteiligt waren.

4. Bei der Kostenfestsetzung mehrerer durch einen gemeinsamen Rechtsanwalt vertretener Streitgenossen gegen den Prozessgegner wirkt sich die Regelung des § 104 Abs. 2 S. 3 ZPO bei unterschiedlicher Vorsteuerabzugsberechtigung der Streitgenossen dahingehend aus, dass der Prozessgegner jeweils nur den nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Streitgenossen die auf deren Kostenanteile entfallende Umsatzsteuer zu ersetzen hat.

 

Normenkette

BGB § 420; RVG VV Nrn. 1008, 3100, 7008; RVG § 7 Abs. 2, § 60; ZPO §§ 104, 528 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Bremen (Aktenzeichen 4 O 2158/20)

 

Tenor

I.1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 30.05.2023 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss 5 des Landgerichts vom 10.05.2023 in der Gestalt des Beschlusses 1 vom 13.07.2023 dahingehend abgeändert, dass die von der Beklagten an die Klägerin zu 1. zu erstattenden außergerichtlichen Kosten der I. Instanz auf EUR 9.763,26 nebst Zinsen in Höhe von jeweils fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 25.10.2022 festgesetzt werden.

I.2. Die Kosten der sofortigen Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss 5 trägt die Klägerin zu 1.

I.3. Der Gegenstandswert der sofortigen Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss 5 wird auf bis EUR 13.000,- festgesetzt.

II. Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 30.05.2023 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss 6 des Landgerichts vom 10.05.2023 ist durch die Abhilfeentscheidung des Landgerichts im Beschluss 2 vom 13.07.2023 erledigt.

Einer weiteren Entscheidung durch den Senat bedarf es nicht, Kosten sind im Verfahren vor dem Oberlandesgericht aufgrund dieser sofortigen Beschwerde nicht angefallen.

III.1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 30.05.2023 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss 7 des Landgerichts vom 10.05.2023 in der Gestalt des Beschlusses 3 vom 13.07.2023 dahingehend abgeändert, dass die von der Beklagten an den Kläger zu 3. zu erstattenden außergerichtlichen Kosten der I. Instanz auf EUR 5.246,18 nebst Zinsen in Höhe von jeweils fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 25.10.2022 festgesetzt werden.

III.2. Die Kosten der sofortigen Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss 7 trägt der Kläger zu 3.

IIII.3. Der Gegenstandswert der sofortigen Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss 7 wird auf bis EUR 10.000,- festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Kläger haben mit ihrer am 10.12.2020 eingereichten Klage die Beklagte wegen behaupteter steuerlicher Falschberatung bei der Umstrukturierung ihrer Unternehmensgruppe im Jahr 2014 auf Schadensersatz in Anspruch genommen.

Im Einzelnen haben die Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 1. EUR 5.750.866,27 zu zahlen nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.11.2020,

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 2. EUR 7.334.786,22 zu zahlen nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.11.2020,

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 3. EUR 2.596.783,60 zu zahlen nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.11.2020,

4. festzustellen, dass die Beklagte den Klägern alle weiteren Schäden aus der Falschberatung, insbesondere rechtskräftig festgesetzte Zinsen auf Steuerbeträge, zu erstatten hat,

5. die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 64.841,90 zu zahlen.

Mit ihrer mit Schriftsatz vom 23.03.2021 erhobenen Widerklage hat die Beklagte beantragt,

die Klägerin zu 1. zu verurteilen, an die Beklagte EUR 226.100,00 zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Bas...

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