Entscheidungsstichwort (Thema)
Umgangsrecht eines in sein Heimatland abgeschobenen Elternteils
Leitsatz (amtlich)
Der Umgangsantrag eines in sein Heimland abgeschobenen Elternteils kann nicht schon deshalb zurückgewiesen werden, weil sich nicht absehen lässt, ob der Umgang begehrende Elternteil in der Lage sein wird, Umgangstermine mit seinem Kind wahrzunehmen.
Normenkette
BGB § 1684
Verfahrensgang
AG Bremen (Beschluss vom 09.08.2010) |
Tenor
1. Den Kindeseltern wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt. Der Kindesmutter wird Rechtsanwalt L., dem Kindesvater Rechtsanwältin F. beigeordnet.
2. Dem Kindesvater wird unter Abänderung des Beschlusses des AG - Familiengericht - Bremen vom 9.8.2010 zwei mal jährlich begleiteter Umgang mit dem Kind L., geb. am [...] 2008, gestattet, und zwar jeweils in der ersten Aprilwoche und der letzten Septemberwoche jeweils von Montag bis Freitag von 16.00 Uhr bis 17.00 Uhr.
3. Die Besuchskontakte finden in den Räumlichkeiten [... der näher bezeichneten Einrichtung ...] statt.
4. Der Kindesmutter wird aufgegeben, L. pünktlich zu [... der näher bezeichneten Einrichtung ...] zu bringen und dort wieder abzuholen.
5. Gerichtliche Kosten werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
6. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Kindeseltern sind und waren nicht miteinander verheiratet. Der Kindesvater hat die Vaterschaft für L. anerkannt. Die Kindesmutter ist allein sorgeberechtigt. Der Kindesvater, der nigerianischer Staatsangehöriger ist, hat im Januar 2010 die Regelung des Umgangsrechts mit L. beantragt. Der Kindesvater hat zum Zeitpunkt der Antragstellung als Asylbewerber in Süddeutschland gelebt.
Nach persönlicher Anhörung der Kindeseltern am 24.2.2010 hat das FamG durch Beschluss vom 24.2.2010 dem Jugendamt aufgegeben, einen Träger für einen begleiteten Umgang ausfindig zu machen sowie konkrete Termine und die beteiligten Personen für begleitete Umgangskontakte zu benennen. Mit Schreiben vom 23.3.2010 hat das Jugendamt dem Familiengericht mitgeteilt, dass von der [...] die begleiteten Umgangskontakte durchgeführt werden könnten; die ersten Kontakte zwischen Vater und Tochter seien im Mai 2010 geplant.
Durch Bescheid vom 24.3.2010 hat das Landratsamt R. den Antrag des Kindesvaters auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis abgelehnt. Mit Schreiben vom 22.4.2010 hat das Jugendamt dem Familiengericht die ersten Termine für die begleiteten Besuchskontakte zwischen dem Kindesvater und seiner Tochter L. mitgeteilt. Am 3.5.2010 wurde der Kindesvater in Abschiebehaft genommen. Die Kindesmutter hat mit dem an die Ausländerbehörde gerichteten Schreiben vom 14.5.2010 darum gebeten, dass der Kindesvater aus der Abschiebehaft entlassen werde, um ihm Umgangskontakte mit der Tochter zu ermöglichen. Im Juni 2010 wurde der Kindesvater abgeschoben. Durch Beschluss vom 9.8.2010 hat das Familiengericht beschlossen, dass von einer Regelung des Umgangs des Kindesvaters mit seiner Tochter derzeit abgesehen wird. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass gegenwärtig nicht absehbar sei, dass der Kindesvater überhaupt in der Lage sein werde, begleitete Umgangskontakte mit seiner Tochter wahrzunehmen. Daher bestehe keine Möglichkeit, den grundsätzlich in Betracht kommenden begleiteten Umgang mit der erforderlichen Bestimmtheit zu regeln. Der Kindesvater habe daher zunächst bei den dafür zuständigen Stellen die Frage seines künftigen Aufenthalts zu klären. Im Übrigen sei es mit dem Kindeswohl nicht vereinbar, einen Umgang zum Zwecke der Wiederanbahnung des Kontaktes anzuordnen, wenn wie hier keine Gewähr dafür bestehe, dass der Prozess der Wiederanbahnung auch zu Ende geführt werden könne.
Gegen diese dem Kindesvater am 19.8.2010 zugestellte Entscheidung richtet sich seine am 20.9.2010 beim Familiengericht eingegangene Beschwerde. Er führt an, dass er sich um ein Visum bemühe. Ihm seien 2× im Jahr begleitete Umgangskontakte zu gestatten, und zwar jeweils für eine Woche.
Der Senat hat die Kindesmutter und das Jugendamt angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 17.12.2010 Bezug genommen.
II. Die Beschwerde des Kindesvaters gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Bremen vom 26.2.2010 ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (§§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 63 Abs. 1 FamFG). Sie hat in der Sache auch Erfolg.
Entgegen der Auffassung des Familiengerichts kann wegen der Abschiebung des Kindesvaters von einer Umgangsregelung nicht abgesehen werden, weil damit dem Kindesvater praktisch der Umgang mit seiner Tochter versagt würde. Eine Entscheidung, die das Umgangsrecht für längere Zeit einschränkt oder ausschließt kann nur ergehen, wenn andernfalls das Wohl des Kindes gefährdet wäre (§ 1684 Abs. 2 BGB). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Die Regelung des dem Kindesvater grundsätzlich zustehenden Umgangsrechts kann nicht davon abhängig gemacht werden, ob der Kindesvater derzeit...