Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrenskostenhilfe: Miteigentumsanteil an einem Grundstück als Schonvermögen. Stundung der Zahlungsverpflichtung bei Zahlung der Verfahrenskosten aus dem Vermögen

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Vermögensgegenstand (hier: Miteigentumsanteil an einem Grundstück) unterfällt nicht schon deshalb dem Schutz der §§ 115 Abs. 3 ZPO, 90 SGB XII, weil er nicht kurzfristig verwertet werden kann. Vielmehr ist in diesem Fall anzuordnen, dass die Zahlung der Verfahrenskosten aus dem Vermögen für einen angemessenen Zeitraum gestundet wird.

 

Normenkette

ZPO § 115 Abs. 3, § 120 Abs. 1 S. 2; SGB XII § 90

 

Verfahrensgang

AG Bremerhaven (Beschluss vom 21.09.2010; Aktenzeichen 154 F 1077/10)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des AG - Familiengerichts - Bremerhaven vom 21.9.2010 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Dem Antragsgegner wird Verfahrenskostenhilfe für das Ehescheidungsverfahren einschließlich der Folgesache Versorgungsausgleich bewilligt. Es wird Rechtsanwalt [...], mit der Maßgabe beigeordnet, dass notwendige Reisekosten nur bis zur Höhe fiktiver Verkehrsanwaltskosten erstattet werden.

Dem Antragsgegner wird auferlegt, die von ihm zu tragenden Verfahrenskosten aus seinem Vermögen zu zahlen, wobei diese Verpflichtung bis zum Ablauf des 31.12.2013 gestundet wird.

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Der Antragsgegner hat Verfahrenskostenhilfe für das beim AG - Familiengericht - Bremerhaven zur Geschäftsnummer 154 F 1077/10 anhängige Ehescheidungsverfahren beantragt. Das Familiengericht hat den Antrag mit Beschluss vom 21.9.2010 mit der Begründung zurückgewiesen, der Antragsgegner sei nicht bedürftig. Dagegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde vom 1.10.2010, der das Familiengericht nicht abgeholfen hat. Er ist der Auffassung, während der Trennungszeit seien die Eheleute nicht gehalten, ein im gemeinschaftlichen Eigentum stehendes Grundstück zu verwerten. Er trägt weiter vor, eine Verwertung sei ihm nicht ohne weiteres möglich. Zwar beabsichtigten die Eheleute, eine gemeinschaftliche Lösung zur Verwertung vorzunehmen. Derzeit komme eine Vermietung an Dritte aber nicht in Betracht, da sie die Veräußerungsmöglichkeiten einschränken würde. Eine Belastung des hälftigen Hausanteils im Wege der Beleihung habe die Kreissparkasse W. mit Schreiben vom 29.9.2010 abgelehnt.

II. Die Beschwerde ist als sofortige Beschwerde gem. §§ 113 Abs. 1 FamFG, 127 Abs. 1 S. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg. In Abänderung des angefochtenen Beschlusses des Familiengerichts ist dem Antragsgegner für das Ehescheidungsverfahren Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen. Allerdings ist anzuordnen, dass der Antragsgegner die auf ihn entfallenden Verfahrenskosten aus seinem Vermögen zu begleichen hat, wobei diese Verpflichtung zum Vermögenseinsatz bis zum Ablauf des 31.12.2013 gestundet wird.

Das Familiengericht hat die Bedürftigkeit des Antragsgegners zu Recht verneint, da er über einzusetzendes Vermögen i.S.d. §§ 115 Abs. 3 ZPO, 90 SGB XII verfügt. Der Antragsgegner und die Antragstellerin sind jeweils zur Hälfte Miteigentümer eines Grundstücks in D., das mit dem vom Antragsgegner bewohnten Einfamilienhaus bebaut ist. Den Wert des Grundstücks hat der Antragsgegner nachvollziehbar mit EUR 180.000 angegeben, dem stehen Belastungen i.H.v. insgesamt ca. EUR 102.000 gegenüber. Der Wert des Miteigentumsanteils des Antragsgegners beträgt damit nach Abzug der bestehenden Belastung etwa EUR 39.000.

Das Familiengericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass das Grundstück nicht als ein für eine Person angemessenes Hausgrundstück i.S.d. §§ 115 Abs. 3 ZPO, 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII anzusehen ist. Diese Einschätzung stellt auch der Antragsgegner nicht in Frage. Der Senat ist nicht der Auffassung, dass die Verwertung eines den Eheleuten gemeinsam gehörenden Grundstücks während der Trennungszeit grundsätzlich nicht in Betracht kommt. Das Hausgrundstück unterfällt dem Schutz nach § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII nicht als Vermögenswert, sondern als Familienheim (Markwardt, in: Johannsen/Henrich, Familienrecht, 5. Aufl. 2010, § 115 ZPO Rz. 71). Die Verwertung kann daher zwar unzumutbar sein, wenn das Trennungsjahr noch nicht abgelaufen oder aus sonstigen Gründen ungewiss ist, ob mangels endgültiger Zerrüttung der Ehe eine auf Dauer angelegte Trennung vorliegt. Denn in solchen Fällen hat das Grundstück seine Eigenschaft als Familienheim noch nicht verloren (OLG Celle, Beschluss vom 18.12.1995, NdsRpfl 1996, 57; Geimer, in Zöller, Kommentar zur ZPO, 28. Aufl. 2010, § 115 ZPO Rz. 53). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Das Trennungsjahr ist im August 2010 abgelaufen, und beide Eheleute haben die Scheidung der Ehe beantragt. Damit wird das Scheitern der Ehe gem. § 1566 Abs. 1 BGB unwiderlegbar vermutet, so dass das Grundstück der Eheleute nicht mehr dem Schutz als Familienheim unterfällt.

Die kurzfristige Verwertung...

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