Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung einer Vollmachtserklärung, Wirkung der Vollmacht bei Erbanfall zugunsten der Bevollmächtigten
Leitsatz (amtlich)
1. Auslegung einer Erklärung als Vollmacht über den Tod hinaus.
2. Zur Legitimationswirkung der Vollmacht nach dem Tod des Vollmachtgebers, wenn die beiden gemeinschaftlich Bevollmächtigten auch gemeinschaftliche Erben sind.
Normenkette
BGB §§ 168, 173, 672; GBO § 29
Verfahrensgang
AG Bremen (Aktenzeichen VL47-2376/1) |
Tenor
Auf die Beschwerde wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Bremen - Grundbuchamt - vom 11.05.2023 aufgehoben.
Dem Amtsgericht wird aufgegeben, über den Eintragungsantrag unter Beachtung der Auffassung des Senats erneut zu entscheiden.
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
Gründe
I. Die Beschwerdeführer wenden sich gegen eine Zwischenverfügung des Amtsgerichts Bremen - Grundbuchamt.
Unter dem 07.03.2023 haben sie einen Antrag auf Eintragung eines Eigentumswechsels gestellt. Mit Urkunde des Notars X, Oldenburg, vom 27.2.2023 (UR-Nr. ...) hatten die Beschwerdeführer zu 1) und 2) als Bevollmächtigte der im Grundbuch eingetragenen A und des B das Eigentum am verfahrensgegenständlichen Grundstück (Grundbuch Bremen Vorstadt ... Blatt ...) auf die Beschwerdeführerin zu 3) übertragen.
Zum Nachweis der Vollmacht haben sie sich auf die Urkunde des Notars Z vom 01.12.2004 (UR-Nr...) berufen.
Die Vollmachtgeber, d.h. die eingetragenen Eigentümer, sind am 06.03.2022 (A) bzw. 09.10.2022 (B) verstorben.
Das Grundbuchamt hat unter dem 11.05.2023 mit der angegriffenen Zwischenverfügung mitgeteilt, dass der beantragten Grundbucheintragung ein Eintragungshindernis entgegenstehe, weil die Vollmacht der verstorbenen Eigentümer an die Söhne nicht explizit über den Tod hinaus erteilt worden sei. Eine auf die Person des Vollmachtgebers zugeschnittene Vollmacht sei in der Regel dahin auszulegen, dass sie mit dem Tod des Vollmachtgebers erlösche. Andere Anhaltspunkte, dass die Vollmacht auch über den Tod hinaus gelten solle, ergäben sich hier nicht.
Das Grundbuchamt hat den Antragstellern aufgegeben, einen Erbnachweis nach den verstorbenen Eigentümern vorzulegen.
Mit ihrer am 17.07.2023 beim Grundbuchamt eingegangenen Beschwerde tragen die Antragsteller vor, das Grundbuchamt verkehre das Regel-Ausnahme-Verhältnis, denn grundsätzlich führe der Tod des Vollmachtgebers im Zweifel nicht zum Erlöschen des Grundverhältnisses und damit der Vollmacht. Auf diese Weise solle eine kontinuierliche Wahrung der Vermögensinteressen der Erblasser und der Erben sichergestellt werden. Die den Kindern erteilte Vollmacht sei auch in keiner Weise auf die Personen der Vollmachtgeber zugeschnitten, sie enthalte nicht ansatzweise persönliche Vorgaben oder Wünsche, sondern beziehe sich ganz sachlich allein auf die Bevollmächtigung zur Regelung vermögensrechtlicher Aspekte. Die Vollmacht sei im Übrigen auch im Interesse der Bevollmächtigten erteilt worden, bei denen es sich um die einzigen beiden Abkömmlinge der Erblasser handele. Es sollte ihnen so leicht wie möglich gemacht werden, den Nachlass aufzuteilen, dafür spräche die umfassende Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB. Die Beschwerdeführer legen ein handschriftliches Testament vor, nach dem die Beschwerdeführer zu 1) und 2) Schlusserben nach dem zuletzt versterbenden Ehegatten sein sollen.
Unter dem 19.07.2023 hat das Grundbuchamt darauf hingewiesen, dass aus dem Wortlaut der Vollmacht hervorgehe, dass sie im Innenverhältnis nur gelte, wenn die Vollmachtgeber beide durch Alter oder Krankheit daran gehindert seien, für sich selber zu sorgen. Diese Voraussetzung liege mit dem Tod der Vollmachtgeber nicht mehr vor.
In der weiteren Stellungnahmefrist haben die Beschwerdeführer an ihrem Rechtsmittel festgehalten, das Grundbuchamt hat mit Beschluss vom 14.08.2023 der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die statthafte Beschwerde gegen die ein Eintragungshindernis feststellende Zwischenverfügung (§ 18 GBO) ist auch im Übrigen zulässig (§§ 71, 73 GBO).
Sie ist auch begründet.
Das vom Grundbuchamt aufgezeigte Eintragungshindernis besteht nicht. Die Beschwerdeführer zu 1) und 2) haben mit wirksamer Vollmacht über den Grundbesitz verfügt. Da die eingetragenen Eigentümer im Zeitpunkt des Verfügungsgeschäfts bereits verstorben waren, kommt es entscheidend darauf an, ob die den Beschwerdeführern zu 1) und 2) erteilte Vollmacht auch über den Tod der Vollmachtgeber hinaus gelten soll. Dazu enthält der Text der Vollmacht keinen ausdrücklichen Hinweis.
Vor der Anwendung der gesetzlichen Regelung bei Zweifeln an der Dauer der Bevollmächtigung gem. §§ 672 S.1, 168 S.1 BGB ist zunächst durch Auslegung der Vollmachterklärung zu ermitteln, ob diese über den Tod hinaus Geltung haben soll. Grundsätzlich gilt für diese Auslegung, je mehr der Auftragsgegenstand auf die Person und die persönlichen Verhältnisse - hingegen weniger auf das Vermögen - des Auftragsgebers zugeschnitten ist, desto eher is...