Leitsatz (amtlich)
Bei einer medizinisch nicht indizierten photorefraktiven Keratektomie (PRK) sind hohe Anforderungen an die Aufklärung zu stellen. Der Patient muss auf die Risiken deutlich und schonungslos hingewiesen werden.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Bremen (Aktenzeichen 4 O 693/99) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Teilurteil des LG Bremen – 4. Zivilkammer – vom 29.5.2002 wird zurückgewiesen.
Von den Kosten der Berufung tragen die Klägerin 9 %, der Beklagte 91 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in der selben Höhe leistet.
Gründe
Die Klägerin fordert vom Beklagten Ersatz materiellen und immateriellen Schadens wegen der Folgen einer photorefraktiven Keratektomie (PRK) mittels Excimer–Lasers. Die Klägerin unterzog sich wegen einer angeborenen extremen Kurzsichtigkeit im April, Juni, Oktober und Dezember 1994 der Behandlung beim Beklagten. Wegen einer Dezentrierung der Ablationszonen ließ die Klägerin ab 1995 mehrere Korrekturbehandlungen durchführen. Im Jahre 2001 erfolgte eine Hornhauttransplantation auf dem linken Auge, die ohne Erfolg blieb. Die Klägerin klagt seit der Behandlung durch den Beklagten über eine erhöhte Blendempfindlichkeit sowie eine Minderung des Dämmerungs- und Kontrastsehens.
Nach Zurückverweisung durch Urteil des Senats vom 21.11.2000 hat das LG Beweis erhoben durch Einholung eines augenfachärztlichen Gutachtens des Prof. Dr. N./Dr. A. vom 23.10.2001 und durch Vernehmung des Ehemanns der Klägerin als Zeugen. In dem angefochtenen Urteil hat das LG den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 12.830 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Wegen eines Teilbetrages i.H.v. 13.677 Euro nebst Zinsen hat das LG die Klage abgewiesen. Die weiteren Zahlungsanträge wegen Verdienstausfalls der Klägerin und wegen eines angemessenen Schmerzengeldes hat das LG dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und des Weiteren festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeden weiteren materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihr aus den im Jahre 1994 vom Beklagten an ihren Augen durchgeführten Operationen mit dem Excimer-Laser entstanden ist und künftig noch entsteht. Zur Begründung hat das LG ausgeführt, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme eine ausreichende Aufklärung für die Behandlung nicht erfolgt und eine Haftung des Beklagten wegen fehlender wirksamer Einwilligung der Klägerin aus positiver Forderungsverletzung sowie unerlaubter Handlung begründet sei. Die der Klägerin aus der Nachbehandlung durch einen auswärtigen Spezialisten entstandenen Unkosten hat das LG mit rd. 12.830 Euro berechnet und die weiter gehende Schadensersatzforderung insoweit abgewiesen. Wegen der Einzelheiten der Begründung sowie wegen des Sach- und Streitstandes im ersten Rechtszug wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Die gegen das Urteil gerichteten Berufungen der Parteien sind zulässig. Die Klägerin hat ihre Berufung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zurückgenommen. Die Berufung des Beklagten bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Die Haftung des Beklagten für Schäden der Klägerin aus der PRK ist aus positiver Vertragsverletzung und unerlaubter Handlung wegen eines Aufklärungsversagens des Beklagten begründet.
Die Aufklärung vor der PRK-Behandlung war nicht ausreichend. Sie konnte nicht Grundlage einer wirksamen Einwilligung der Klägerin in die nachfolgende Behandlung sein.
Das LG hat insoweit das schriftliche Gutachten zutreffend ausgewertet. Die Anhörung der Sachverständigen Dr. A. vor dem Senat hat die vom LG vorgenommene Beurteilung bestätigt.
An die Aufklärung sind vorliegend hohe Anforderungen zu stellen. Je weniger ein ärztlicher Eingriff medizinisch geboten ist, um so ausführlicher und eindrücklicher muss der Patient, dem dieser Eingriff angeraten wird und den er selbst wünscht, über dessen Erfolgsaussichten und etwaige schädliche Folgen informiert werden (vgl. BGH v. 6.11.1990 – VI ZR 8/90, MDR 1991, 424 = VersR 1991, 227; OLG Celle v. 20.2.1985 – 1 U 33/84, NJW 1987, 2304; OLG Düsseldorf v. 21.3.2002 – 8 U 117/01, NJW-RR 2003, 89). Der Patient muss auf etwaige Risiken deutlich und schonungslos hingewiesen werden. Diesen Anforderungen ist der Beklagte auch nach der eigenen Darstellung des Aufklärungsgesprächs nicht gerecht geworden.
Das ergibt sich einmal daraus, dass eine medizinische Indikation für die PRK-Behandlung nicht vorgelegen hat. Die Sachverständige hat ausgeführt, dass die Behandlung bei der hohen Kurzsichtigkeit der Klägerin von ca. minus 20 Dioptrien auf beiden Augen keine notwendige medizinische Maßnahme darstellte. Sie hat die Behandlung überzeugend als Korrekturtechnik bezeichnet, die in besonderen Zentren zu Studienzwecken durchgeführt worden sei. So sei die PRK-Behandlung in der Augenklinik, in der sie tätig sei, seit 1993 angewandt...