Leitsatz (amtlich)

1. Stürzt ein Fußgänger in unmittelbarer Nähe einer Gefahrenstelle, so liegt nach den Grund sätzen des Anscheinsbeweises der Schluss nahe, dass die Gefahrenstelle Ursache des Sturzes war (wie BGH v. 2.6.2005 - III ZR 358/04, VersR 2005, 1086 = BGHReport 2005, 1181)

2. Für die Richtigkeit der aufgestellten Behauptung, es sei in unmittelbarer Nähe des Ortes, an dem es zum Sturz gekommen sei, eine Gefahrenstelle vorhanden, kommt dem Geschädigten die Erleichterung des Beweises des ersten Anscheins nicht zugute.

 

Normenkette

ZPO § 286

 

Verfahrensgang

LG Bremen (Urteil vom 14.04.2005; Aktenzeichen 2 O 704/04)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des LG Bremen vom 14.4.2005 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 5.650 EUR abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um ein von dem Kläger verlangtes Schmerzensgeld aus einem Unfall, den der Kläger auf eine von der Beklagten schuldhaft begangene Verletzung der Verkehrssicherungspflicht zurückführt, sowie um die vom Kläger gleichfalls begehrte Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, sämtliche materiellen, in der Zukunft auftretenden Schäden aus diesem Unfall zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen seien.

Am 27.11.2002 gegen 11.45 Uhr kam der Kläger, der bereits etwa ein Jahr zuvor, nämlich am 30.11.2001, einen Unfall mit erheblichen Verletzungsfolgen erlitten hatte und dem der linke Arm fehlt, auf der Feuerwehrzufahrt zum Grundstück N.-Straße 52 zu Fall. Er zog sich dabei einen Bruch des rechten Oberschenkels zu und wurde vom Rettungsdienst der Stadt Bremen zunächst in das Zentralkrankenhaus Bremen-Ost verbracht. Von dort wurde er am 28.11.2002 in die Klinik Boberg in Hamburg verlegt. In dieser Klinik wurde der Kläger am 2.12.2002 operiert; es wurde ein Fixateur eingesetzt, der bis zu seiner Entfernung am 7.4.2003 dem Kläger Bewegung nur im Rollstuhl erlaubte. Während dieses Zeitraums befand sich der Kläger nochmals in der Zeit zwischen dem 3. und dem 17.1.2003 sowie zwischen dem 4. und dem 14.4.2003 stationär in der Klinik B. Dort wurde am 6.1.2003 in einer weiteren Operation Knochenmark des Klägers von seinem Becken in den rechten Oberschenkel verpflanzt. Auch nach dem 7.4.2003 waren nach Behauptung des Klägers ärztliche Behandlungen des verletzten Beines erforderlich. Am 12.4.2003 hat der Kläger nach seiner Darstellung eine Gehschiene erhalten, die es ihm ermöglicht hat, einige Stunden am Tag zu laufen, im Übrigen ist er bis Dezember 2003 auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen gewesen.

Der Kläger hat behauptet, er sei deshalb gestürzt, weil ein Pflasterstein in der fraglichen, von ihm gemeinsam mit einem Begleiter, dem Zeugen Th. R., benutzten Feuerwehrzufahrt zum Haus N.-Straße 52 etwa 5 cm aus dem übrigen Niveau herausgeragt habe und er über diesen Stein gestolpert sei. Der Kläger hat gemeint, die Beklagte habe die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt, und hat die Beklagte auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes, das sich nach seinen Vorstellungen auf etwa 25.000 EUR belaufen müsse, sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten in Bezug auf den materiellen, in der Zukunft noch zu erwartenden Schaden, soweit entsprechende Ansprüche ihm noch zustünden, in Anspruch genommen. Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt und dazu zum einen bestritten, dass der Pflasterstein 5 cm über das ihn umgebende Pflasterwerk herausgeragt habe, und zum anderen geltend gemacht, dass ungeklärt sei, ob und welche der im Einzelnen nach Darstellung des Klägers eingetretenen gesundheitlichen Schäden von dem Unfall am 27.11.2002 herrührten, denn es sei möglich, dass es sich noch um Schadensfolgen des Unfalls vom 30.11.2001 gehandelt habe. Im Übrigen könne auch nicht festgestellt werden, dass der Unfall des Klägers am 27.11.2002 - wie von ihm behauptet - auf ein Stolpern über den fraglichen Pflasterstein zurückzuführen sei, denn der Kläger könne durchaus schon wegen der zu diesem Zeitpunkt bereits vorhandenen körperlichen Beeinträchtigungen (Bruch des rechten Oberschenkels im Jahre 2001, Fehlen des linken Arms) auch ohne Anstoßen an den fraglichen Stein zu Fall gekommen sein. Zumindest sei ihm ein erhebliches Mitverschulden anzulasten.

Das LG hat mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen Tatbestand (Bl. 110-112 d.A.) und Entscheidungsgründe (Bl. 112) ergänzend Bezug genommen wird, die Klage nach Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen R. sowie der nach dem Unfall tätig gewordenen Rettungssanitäter mit im Wesentlichen folgender Begründung abgewiesen: Der Kläger habe nicht bewiesen, dass er über einen aus der Pflasterung herausragenden Stein gestolpert sei, denn der Zeuge R. habe ...

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