Verfahrensgang

LG Bremen (Aktenzeichen 1 O 726/15)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bremen vom 25.11.2020 (1 O 726/15) wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.

Das Urteil sowie das vorgenannte Urteil des Landgerichts Bremen sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110% der aufgrund der Urteile vollstreckbaren Beträge abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über einen (weiteren) Schmerzensgeldanspruch der Klägerin wegen eines Behandlungsfehlers bei einer in der Klinik der Beklagten durchgeführten Wirbelsäulenoperation im April 1991. Die Beklagte zahlte an die Klägerin außergerichtlich ein Schmerzensgeld i.H.v. 225.000 DM. Eine abschließende Einigung über das Schmerzensgeld konnte zunächst nicht erzielt werden. Ein sodann geführter Prozess endete am 14.1.2003 mit einem Vergleich (Anlage K2, Bl. 11 f.). Dieser lautet:

"1. Die Beklagte zahlt an die Klägerin 55.000 EUR.

2. Damit sind sämtliche Schmerzensgeldansprüche der Klägerin aus der Operation vom 18.04.1991 im Krankenhaus St. in Bremen abgegolten.

3. Die Parteien sind sich darüber einig, dass dieser Vergleich zwischen ihnen hinsichtlich etwaiger zukünftiger Schmerzensgeldansprüche wie ein Urteil wirkt."

Im Jahr 2012 wurde bei der Klägerin eine Syringomyelie (im Folgenden: Syrinx) diagnostiziert, die sich aufgrund der behandlungsfehlerbedingten Verletzung des Rückenmarks entwickelt hatte, wobei es sich um eine Syrinx mit Symptomen (klinische Syrinx) handelt. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Syrinx bereits im Jahr 2003 vorhanden war.

Die Klägerin hat behauptet, dass die Syrinx erst im Jahr 2012 aufgetreten sei und im Einzelnen näher genannte gesundheitliche Folgen nach sich gezogen hätte. Sie hat die Ansicht vertreten, dass ihr für die Syrinx und die darauf beruhenden Operationen und Nachbehandlungen ein weiteres Schmerzensgeld von 25.000 EUR zustehe. Der Vergleich vom 14.1.2003 schließe den weitergehenden Anspruch nicht aus. Bei der aufgetretenen Syrinx handele es sich um eine objektiv nicht vorhersehbare Erkrankung, mit der nicht ernsthaft hätte gerechnet werden müssen und die deshalb bei der Bemessung des Schmerzensgeldes im Jahr 2003 hätte unberücksichtigt bleiben müssen und unberücksichtigt geblieben sei.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes nebst Zinsen sowie Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltsvergütung zu verurteilen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, der Abschluss des Vergleichs sei eine abschließende Regelung hinsichtlich aller Schmerzensgeldansprüche für die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und stehe daher der Klage entgegen. Sie hat behauptet, bei der Syrinx handele es sich um eine typische Folgeverletzung der ursprünglichen Rückenmarksverletzung, sodass sie zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs objektiv vorhersehbar gewesen sei. Bei der Beurteilung, ob die Folge objektiv vorhersehbar sei, seien die zur Aufklärung über Nebenwirkungen von Medikamenten entwickelten Grundsätze bzw. die Grundsätze zur Risikoaufklärung heranzuziehen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat nach Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. K. (Bl. 150 ff. der Akte), eines ersten (Bl. 242 ff. der Akte) sowie zweiten Ergänzungsgutachtens (Bl. 301 ff. der Akte) und der Anhörung des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vom 20.02.2019 (Bl. 280 ff. der Akte) die Beklagte verurteilt, an die Klägerin ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 Euro nebst Zinsen sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils Bezug genommen.

Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiter; hilfsweise begehrt sie die Zulassung der Revision. Sie rügt, dass das Landgericht die Rechtslage verkenne. Die Entscheidung sei vom gewünschten Ergebnis her begründet, rechtlich jedoch nicht haltbar. Im Einzelnen führt die Beklagte unter Bezugnahme und Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrages hierzu aus:

Die Bewertung des Landgerichts stünde im eindeutigen Widerspruch zu den - vom Landgericht eingangs der Entscheidung zutreffend wiedergegebenen - Grundsätzen der Rechtsprechung hinsichtlich der Zuerkennung eines weiteren Schmerzensgeldes nach einer vorangegangenen abschließenden und rechtskräftigen Regelung durch Urteil oder Vergleich. Sie stehe insbesondere im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich zuletzt mit Urteil vom 20.01.2015 (Az. VI ZR 27/14) zu der Frage geäußert habe, wann die Voraussetzungen für die Durchbrechung der Rechtskraft eines Urteils oder diesem gleichgestellten gerichtlichen Vergleich zur Begründ...

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