Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattungsfähigkeit von Kosten bei der Einschaltung eines Inkassobüros für die Geltendmachung von Forderungen gegenüber dem Insolvenzverwalter der Schuldnerin
Leitsatz (amtlich)
1. Kosten für die Einschaltung eines Inkassobüros im Rahmen außergerichtlicher Schadensabwicklung sind nur dann erstattungsfähig, wenn der Gläubiger im einzelnen Schadensfall die Heranziehung eines Dritten für erforderlich und für zweckmäßig halten durfte.
2. Ein solcher Fall liegt vor, wenn wegen der streitigen Forderung vertragliche Vereinbarungen während des Insolvenzverfahrens der Schuldnerin mit dem Insolvenzverwalter getroffen wurden und vom Gläubiger nicht erwartet werden kann, dass er über das erforderliche Wissen verfügt, wie er im Hinblick auf das Insolvenzverfahren weiter vorgehen muss.
Normenkette
BGB § 249 Abs. 1, § 286 Abs. 1, § 288 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Bremen (Urteil vom 13.07.2011; Aktenzeichen 8 O 2312/10) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des LG Bremen, 8. Zivilkammer, vom 13.7.2011 wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Bremen, 8. Zivilkammer, vom 13.7.2011 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 4.390,83 zu zahlen.
Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.
Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an den Beklagten in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter EUR 11.551,97 nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.12.2010 zu zahlen.
Von den Kosten der ersten Instanz trägt die Klägerin 72 %, der Beklagte 28 %.
Die Kosten der Berufung trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert für die Berufung wird auf EUR 4.390,83 festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin hatte eine Forderung gegenüber dem Beklagten als Insolvenzverwalter der D. KG (im Folgenden: Schuldnerin) von EUR 152.755,66, die sie mit Rechnung vom 28.12.2009, ausgestellt auf die Schuldnerin, mit dem Zusatz: "Rechnung zahlbar bis: 7.1.2010 (10 Tage netto)" berechnete. Bei den in Rechnung gestellten Leistungen handelte es sich um von der Klägerin an vier aufeinander folgenden Sonnabenden ab dem 14.11.2009 durchgeführte Sammlungen von Garten- und Grünabfällen im Landkreis C..
Die Klägerin mahnte die Schuldnerin unter dem 13.1.2010 und 27.1.2010 an und telefonierte am 18.2.2010 mit dem für den Beklagten tätigen Rechtsanwalt F..
Am 3.3.2010 sandte die Klägerin Herrn F. folgende E-Mail:
"Sehr geehrter Herr F.,
Bezug nehmend auf unser Telefonat vom 18.2.2010 haben wir gestern die Information von Herrn P. erhalten, dass er unsere Rechnung nun abschließend geprüft und Ihnen gegenüber "grünes Licht" gegeben hat.
Wann avisieren Sie die fälligen EUR 152.755,66?
Wir freuen uns auf eine kurzfristige Antwort - noch mehr aber über einen noch kurzfristigeren Geldeingang!"
Vorangegangen war am 2.3.2010 ein Telefonat der Klägerin mit einem Herrn P., einem Mitarbeiter der Schuldnerin, der unstreitig mit der Prüfung der Rechnung befasst war und nichts zu beanstanden hatte.
Die sodann von der Klägerin mit dem Forderungseinzug beauftragte B. Inkasso GmbH setzte mit Schreiben vom 15.3.2010 unter Hinweis darauf, das es sich um "bevorrechtigte Masseforderungen" handele, eine Zahlungsfrist bis zum 23.3.2010. Die Zahlung erfolgte am 6.4.2010.
Die Klägerin hat in erster Instanz Verzugszinsen von EUR 2.310,83, Inkassokosten von EUR 2.080 sowie Mahnkosten von EUR 5 geltend gemacht, also insgesamt die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von EUR 4.395,83 begehrt.
Der Beklagte hat Klagabweisung beantragt. Er hat sich gegen die Fälligkeit des Rechnungsbetrages gewandt und die Einschaltung des Inkassoinstituts als nicht erforderlich beanstandet.
Der Beklagte hat ferner im Wege der Widerklage EUR 11.551,97 nebst Zinsen geltend gemacht, weil eine Zahlung in dieser Höhe von der Schuldnerin an die Klägerin in nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbarer Weise erfolgt sei. Die Zahlung vom 1.10.2009 ist nicht streitig; der Insolvenzantrag in Form eines Eigenantrags wurde am 20.10.2009 gestellt.
Das LG Bremen, 8. Zivilkammer, hat mit Urteil vom 18.7.2011 den Beklagten zur Zahlung der Verzugszinsen von EUR 2.310,83 verurteilt und die weiter gehende Klage abgewiesen. Auf die Widerklage ist die Klägerin antragsgemäß zur Zahlung von EUR 11.551,97 nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit verurteilt worden.
Die Klägerin habe gem. §§ 286 Abs. 3,288 Abs. 2 BGB Anspruch auf Verzugszinsen von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz von 0,12 % für insgesamt 68 Tage auf EUR 152.755 (= EUR 2.310,83), denn der Beklagte sei mit Ablauf des 28.1.2010 in Verzug geraten. Der Klägerin habe gegen den Beklagten ein Anspruch gem. § 631 Abs. 1 BGB über EUR 152.755 zugestanden, der jedenfalls mit Rechnungsstellung fällig geworden sei; anstelle der Abnahme sei gem. § 646 BGB die Vollendung der Arbeiten getreten. Etwaige Unrichtigkeiten der Rechnung hinderten die Fälligkeit ebenso wenig wie die falsche Adressierung der Rechnung; beide Parteien hätten Kenntnis...