Entscheidungsstichwort (Thema)
Notwohnrecht des Erstehers bei Anordnung der Sicherungsverwaltung in der Zwangsversteigerung
Leitsatz (amtlich)
1. Bei Anordnung der Sicherungsverwaltung in der Zwangsversteigerung nach § 94 ZVG kann sich der Ersteher in gleicher Weise wie der Schuldner im Zwangsverwaltungsverfahren auf ein Notwohnrecht berufen; danach ist dem Ersteher das Wohnrecht in entsprechender Anwendung des § 149 ZVG zu belassen, soweit er bereits im Besitz des Grundstücks war.
2. Dabei sind dem Schuldner die für seinen Hausstand (Kinder, Lebenspartner, auch Eltern) unentbehrlichen Räume zu belassen.
Normenkette
ZVG §§ 94, 149
Verfahrensgang
LG Bremen (Aktenzeichen 7 O 562/16) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Bremen, 7. Zivilkammer, vom 15. Dezember 2016 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen.
Die Urteile des Landgerichts Bremen sowie des Senats sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn und soweit nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger begehrt die Herausgabe des mit einem Einfamilienhaus nebst Doppelgarage bebauten Objekts [...] sowie Nutzungsentschädigung für die Monate Februar und März 2016.
Das Grundstück, für das der Sachverständige [...] mit Gutachten vom 21.03.2015 einen Verkehrswert von EUR 348.000,00 ermittelt hatte, stand ursprünglich im Eigentum der Beklagten, die es mit ihrer Tochter [...] bis heute bewohnen. Am 20.01.2016 wurde das Objekt auf Betreiben der [...]-Bank als Grundpfandgläubigerin (Gläubigerin) zwangsversteigert (Amtsgericht Bremen, Az. 26 K 183/14). Durch Beschluss des AG Bremen vom 27.01.2016 erhielt bei einem Meistgebot von EUR 456.000,00 die damals 22-jährige Tochter der Beklagten, Frau [...] (Ersteherin), den Zuschlag. Ebenfalls mit Beschluss vom 27.01.2016 ordnete das Amtsgericht auf Antrag der Gläubigerin die Sicherungsverwaltung des Grundstücks an; als Verwalter wurde der Kläger eingesetzt. Gleichzeit wurde der Ersteherin die Verwaltung des Grundbesitzes und der mitversteigerten Gegenstände einschließlich der Miet- und Pachtzinsforderungen ab sofort entzogen.
Die Ersteherin zahlte den Betrag des Meistgebots nicht. Auf die Forderungen der Gläubigerin hinterlegte sie einen Teilbetrag von EUR 296.767,01. Die Gläubigerin ist bisher nicht bereit, eine Löschungsbewilligung für die ihr eingeräumten Sicherungshypotheken zu erteilen, weil weiterhin Streit um die Höhe und Berechtigung einer von der Gläubigerin zusätzlich verlangten Pauschale besteht. Die Gläubigerin errechnet sich Forderungen von nunmehr insgesamt EUR 304.983,96.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Bremen vom 06.04.2016 ist die Wiederversteigerung gem. § 133 ZVG angeordnet worden.
Der Kläger verlangt von den Beklagten die Herausgabe des Hauses und berechnet ihnen eine monatliche Nutzungsentschädigung von EUR 1.512,50 netto.
Er hat gemeint, die Beklagten könnten sich nicht auf ein abgeleitetes Wohnrecht berufen; außerdem stelle sich das Verhalten der Beklagten und der Ersteherin als rechtsmissbräuchlich im Sinne eines kollusiven Zusammenwirkens dar.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, das Einfamilienhaus [...], bestehend im Erdgeschoss aus Wohnzimmer, Kinderzimmer, Diele, Küche, Hauswirtschaftsraum und WC sowie im Dachgeschoss aus drei Zimmern, Flur und Badezimmer/Sauna nebst Dachboden und Doppelgarage, an den Kläger herauszugeben;
2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger EUR 6.050,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf EUR 1.512,50 seit dem 26.02.2016, auf weitere EUR 1.512,50 seit Rechtshängigkeit, auf weitere EUR 1.512,50 seit dem 01.05.2016 und auf weitere EUR 1.512,50 seit dem 01.06.2016 zu zahlen.
Die Beklagten haben Klagabweisung beantragt.
Die Beklagten haben sich auf ein Besitzrecht nach § 986 BGB gestützt. Ihnen komme ein abgeleitetes Wohnrecht nach § 149 ZVG zu. Die Tochter könne sich auf § 149 ZVG berufen.
Sie haben den Zahlungsanspruch bestritten mit der Begründung, es bestehe keine Vindikationslage. Die Entschädigung sei außerdem überhöht, da sich der von dem Sachverständigen [ ] ermittelte Nutzungswert auf das gesamte Haus und nicht nur auf die von ihnen bewohnten Räume beziehe.
Das Landgericht Bremen, 7. Zivilkammer, hat mit Urteil vom 15.12.2016 die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Herausgabe des Grundstücks nach § 985 BGB. Die Beklagten seien unmittelbare Besitzer, jedoch zum Besitz analog § 149 Abs. 1 ZVG berechtigt. Die hier vorliegende Interessenlage sei mit dem Tatbestand des § 149 ZVG vergleichbar. Sowohl dem Schuldner im Zwangsverwaltungsverfahren als auch dem Ersteher im Zwangsversteigerungsverfahren sei lediglich die Verwaltung, nicht ...