Leitsatz (amtlich)
1. § 661a BGB verlangt lediglich den Anschein eines Preisgewinns, so dass die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift bereits dann erfüllt sind, wenn die Zusendung des Unternehmers durch ihre Gestaltung den Eindruck erweckt, der Verbraucher habe einen Preis gewonnen. Dabei ist entscheidend, ob die Mitteilung abstrakt-generell geeignet ist, bei einem durchschnittlichen Verbraucher den Eindruck eines (bereits erfolgten) Preisgewinns zu erwecken.
2. Bei der Auslegung der Gewinnzusage kommt es auf den Kerngehalt der Aussage an, wobei den plakativ herausgestellten Angaben entscheidende Bedeutung beizumessen ist, und versteckte Hinweise, sofern sie sich nicht dem objektiven Empfängerhorizont aufdrängen, außer Ansatz bleiben.
Normenkette
BGB § 661a
Verfahrensgang
LG Bremen (Urteil vom 14.07.2003; Aktenzeichen 4 O 1155/02) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Bremen – 4. Zivilkammer, Einzelrichter – vom 14.7.2003 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Auszahlung eines zugesagten Gewinns in Anspruch (§ 661a BGB). Die Beklagte ist eine Gesellschaft mit Sitz in Italien; sie verkauft Süßwaren im Wege des Versandhandels. Mitte Februar 2002 erhielt der Kläger ein an ihn persönlich adressiertes Anschreiben. Darin heißt es u.a.:
„Sehr geehrter Herr Sch.,
heute möchte ich Sie um Ihre Mithilfe bei einer Gewinn-Auszahlung i.H.v. 25.000 Euro bitten.
Das offizielle Gewinner-Protokoll vom 15.2.2002 (Kopie anbei) bestätigt einen gewissen E.Sch., gegenwärtig wohnhaft in Bremen, K.-Straße 2, als Gewinner.
Soweit wir feststellen konnten, sind Sie in unseren Unterlagen der einzige E.Sch. in Bremen, aber um ganz sicher zu gehen, dass sie tatsächlich der gesuchte Gewinner sind, benötigen wir noch Ihr Geburtsdatum zum Vergleich mit den uns vorliegenden Unterlagen.
Bitte helfen Sie mit, diesen Sachverhalt aufzuklären, denn die 25.000 Euro sollen jetzt schnell zur Auszahlung kommen! Sicher werden Sie verstehen, das wir verpflichtet sind, vor der Auszahlung eines derartigen Betrages erst alle Unstimmigkeiten aufzuklären. Schließlich soll nur der rechtmäßige Gewinner den ihm zustehenden Gewinn-Betrag in voller Höhe erhalten.
Füllen Sie daher bitte die beiliegende „eidesstattliche Versicherung” wahrheitsgemäß aus und schicken Sie diese innerhalb von 7 Tagen im beigefügten Umschlag zu meinen Händen zurück, damit der Gewinn-Betrag noch in diesem Monat zur Auszahlung kommen kann.”
Außerdem ist auf dem Anschreiben in einer schräg unten rechts aufgedruckten Handschrift vermerkt:
„Haben Sie schon gesehen, welche tollen Leckereien unsere Einkäufer heute für Sie zusammengestellt haben? Sicher ist auch in Ihrer Familie die eine oder andere „Naschkatze”…”
Auf der Rückseite des Anschreibens sind Fotos von zwei namentlich bezeichneten Gewinnerinnen unter der Überschrift: „Diese beiden Damen haben nicht gezögert!” abgedruckt. Weiter heißt es unter dem einen Foto: „Hier freut sich Frau M. über ihre 10.000 DM in bar!” Der Text unter dem anderen Foto lautet: „Da strahlt Frau B.! Soeben hat sie 15.000 DM in bar erhalten.”
In dem Text unter den beiden Gewinnerfotos ist ferner ausgeführt, dass „Schon nach zwei Tagen” der Beklagten die „Auszahlungsdokumente von Frau M. und Frau B.” vorgelegen hätten; bereits eine Woche später hätten sich „die beiden Damen nicht nur über ihre neuen Produkte und tollen Geschenke freuen (können), sondern zusätzlich über eine Riesensumme Bargeld!”.
Dem Anschreiben der Beklagten an den Kläger war ein sog. „Gewinner-Protokoll” beigefügt. Darin ist eine Ziehung vom 15.2.2002 erwähnt. Der Gesamtbetrag habe sich auf 25.000 Euro belaufen. Als Gewinner ist der Kläger namentlich bezeichnet. Abschließend heißt es in dem „Gewinner-Protokoll”:
„Die offizielle Ermittlung des Gewinners konnte erfolgreich abgeschlossen werden. Die Gewinnauszahlung kann regelrecht erfolgen.
Dr. jur. M.M. (vereidigter Gutachter)”.
Die dem Schreiben der Beklagten an den Kläger beigefügte, oben bereits erwähnte „Eidesstattliche Versicherung” lautet wie folgt:
„Hiermit bestätige ich, E.Sch., wohnhaft in Bremen, K.-Straße 2, dass ich am … geboren bin.
Damit bin ich der gesuchte Gewinner des Protokolls vom 15.2.2002. Bitte zahlen Sie mir meinen Gewinn von 25.000 Euro regelrecht aus.
Ich bestätige, dass weder ich noch einer meiner Angehörigen bei S.V.D. beschäftigt ist. Damit bin ich berechtigt, den Gewinn von 25.000 Euro zu erhalten.
Ich versichere, dass meine Angaben der Wahrheit entsprechen. Ich weiß, dass ich mein Geburtsdatum bei der Gewinnübergabe durch ein offizielles Ausweisdokument (Personalausweis, Reisepass) nachweisen muss und falsche Angaben strafrechtlich verfolgt werden können. Durch meine Unters...