Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Gegendarstellung bei Äußerungen auf der Internetseite einer Rechtsanwaltskanzlei
Leitsatz (amtlich)
1. Die Internetseite einer Rechtsanwaltskanzlei ist Telemedium i.S.v. § 56 Abs. 1 RStV
2. Die Internetseite einer Rechtsanwaltskanzlei ist journalistisch-redaktionell gestaltet, wenn sich ihr Inhalt nicht in einer bloßen Eigenwerbung erschöpft, sondern regelmäßig bearbeitete Neuigkeiten sowie laufend Pressemitteilungen von der Kanzlei herausgegeben und ins Internet eingestellt werden. Unter den weiteren Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 RStV besteht ein Anspruch auf Gegendarstellung.
3. Die Zusendung des Gegendarstellungsverlangens per Telefax genügt den Formvorschriften des § 56 Abs. 2 Nr. 4 RStV.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 2, §§ 824, 1004; StGB § 186; RStV § 56 Abs. 1-2
Verfahrensgang
LG Bremen (Urteil vom 09.09.2010; Aktenzeichen 7 O 1338/10) |
Tenor
Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das Urteil des LG Bremen, 7. Zivilkammer, vom 9.9.2010 wird mit der Maßgabe als unbegründet zurückgewiesen, dass in Ziff. 2. des Tenors in der 7. Zeile das Komma entfällt und in der 8. Zeile die Worte "zu veröffentlichen" gestrichen werden.
Die Kosten der Berufung trägt die Verfügungsbeklagte.
Gründe
I. Die Verfügungsklägerin (im Folgenden: Klägerin), die Kapitalanlagen erstellt, vermarktet und verwaltet, verlangt von der Verfügungsbeklagten (im Folgenden: Beklagte), einer Rechtsanwaltspartnerschaft, die Unterlassung einzelner in deren Pressemitteilung vom 27.7.2010 aufgestellter Behauptungen und die Veröffentlichung einer Gegendarstellung. In dieser Pressemitteilung geht es um die Information über die für Anleger wirtschaftlich gescheiterte Anlage bei der E. GmbH & Co. KG (später P. GmbH & Co. KG), einem Fonds zur Herstellung von Biodiesel. Über die P. GmbH & Co. KG ist das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Die Beklagte hat in ihrer Presseerklärung die Anleger auf die Möglichkeit der Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Klägerin hingewiesen. Diese Pressemitteilung war unter der Überschrift "Aktuelles" und "Anleger gehen gegen P. AG vor" auf der Webseite der Beklagten und einer verlinkten Webseite der Beklagten bei dem Internetdienst "Twitter" bis zum 30.7.2010 abrufbar.
Die Klägerin hatte die Anlage über den Vorprospekt vom 17.11.2005 ("Vorabinformation") und den Beteiligungsprospekt vom 22.11.2005 beworben.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 29.7.2010 forderte die Klägerin die Beklagte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und zur Veröffentlichung einer Gegendarstellung unter Fristsetzung bis zum Freitag, den 30.7.2010, 12.00 Uhr auf. Dieses Schreiben ging per Fax bei der Beklagten am 29.7.2010 um 10.49 Uhr ein. Die Beklagte bat per E-Mail vom 30.7.2010 um 11.13 Uhr um Fristverlängerung bis Montag, den 2.8.2010. Die Klägerin verlängerte die erbetene Frist lediglich bis Freitag, den 30.7.2010, 14.00 Uhr und beantragte per Fax beim LG von 14.14 Uhr bis 14.33 Uhr eingehend den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Die Beklagte teilte der Klägerin per E-Mail vom 30.7.2010 um 14.22 Uhr mit, dass die gerügte Pressemittelung von ihrer Webseite entfernt worden sei und sie im Laufe des Tages eine Unterlassungserklärung abgeben werde. Dies erfolgte per Fax um 15.34 Uhr für die von der Klägerin ursprünglich angekündigten weiteren Anträge, mit der der Beklagten die Behauptungen untersagt werden sollten,
1. das Abschließen von Festpreisen über Rapssaat habe zum Konzept der P. AG gehört,
2. die P. AG habe Festpreisverträge angepriesen, die nicht abgeschlossen wurden,
wie insbesondere im Rahmen der Pressemittelung vom 27.7.2010 unter der Überschrift "Anleger gehen gegen die P. AG vor" geschehen.
Insoweit haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend vor dem LG Bremen für erledigt erklärt.
Die Klägerin hat weiterhin die Untersagung der Behauptung begehrt,
die Premicon AG habe Anleger über die nicht fixierten Festpreise in den Lieferverträgen nicht aufgeklärt, wie insbesondere in der Pressemittelung vom 27.7.2010 unter der Überschrift "Anleger gehen gegen die Premicon AG vor" geschehen.
Außerdem hat sie die Veröffentlichung einer Gegendarstellung auf den Webseiten der Beklagten verlangt.
Die Beklagte hat die Zurückweisung dieser Anträge begehrt und eingewandt, keinen Anlass für die Einleitung des Verfügungsverfahrens gegeben zu haben. Die ihr gesetzte Frist sei unangemessen kurz gewesen, weshalb die Klägerin die Kosten zu tragen habe. Es habe auch kein Verfügungsanspruch bestanden. Die Prospekte erweckten den Eindruck, dass Vereinbarungen über den Bezug von Rapssaat zu Festpreisen getroffen würden.
Auch die jetzt noch verfolgten Ansprüche seien unbegründet, weil es sich bei dem insoweit beanstandeten Teil der Presseerklärung um ein Werturteil in Gestalt einer Rechtsansicht handele. Schon aus diesem Grunde bestehe auch ein Anspruch auf Gegendarstellung nicht. Außerdem sei das Gegendarstellungsverlangen ihr nicht im Original zugegangen und deshalb nicht "schriftlich" i.S.d. § 56 RStV. Die...