Leitsatz (amtlich)
1. Der Rechtsanwalt, der einen Mandanten in einem wettbewerbsrechtlichen oder urheberrechtlichen Verfahren der einstweiligen Verfügung vertritt, muss seinem Mandanten nach für diesen trotz Widerspruchs erfolglosem Abschluss des Verfahrens unaufgefordert den Rat erteilen, eine Abschlusserklärung abzugeben, um einer darauf gerichteten Aufforderung der Gegenseite, die einen gegen den Mandanten gerichteten Gebührenanspruch § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO in der bis zum Ablauf des 30.6.2004 geltenden Fassung auslöste, zuvorzukommen, sofern er nicht den Rat erteilt, das ergangene Urteil mit der Berufung anzugreifen.
2. Unterlässt der Rechtsanwalt die in Nr. 1 umschriebene gebotene Beratung, so steht dem Mandanten ein Schadensersatzanspruch in Höhe der vermeidbaren Kosten zu, mit dem er ggü. dem Gebührenanspruch des Rechtsanwalts aufrechnen kann.
Verfahrensgang
LG Bremen (Urteil vom 08.01.2004; Aktenzeichen 7 O 1401/03b) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Bremen - 7. Zivilkammer - v. 8.1.2004 abgeändert und die Klage, soweit sie nicht schon durch das Teilanerkenntnisurteil v. 1.12.2003 erledigt worden ist, abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin 23 % und die Beklagte 77 %.
Die Kosten des Berufungsrechtszuges hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
Die Klägerin hat die Beklagte mit der Klage aufgrund anwaltlicher Beratungen und Vertretungen auf Zahlung von insgesamt 5.383,21 Euro in Anspruch genommen. Die Beklagte hat die Forderung in erster Instanz i.H.v. 4.337,21 Euro teilweise anerkannt, insoweit hat das LG am 1.12.2003 ein Teilanerkenntnisurteil erlassen. Gegen den Restanspruch von 1.046 Euro rechnet die Beklagte einen Schadenersatzanspruch auf, den sie aus dem Gesichtspunkt anwaltlicher Falschberatung herleiten will. Dem liegt folgendes zugrunde:
Die Klägerin vertrat die Beklagte vor dem LG Hamburg in einem auf die Abgabe einer einstweiligen Verfügung gerichteten Verfahren (Az. 407 O 136/02). Dort nahm eine Firma L. Services Ltd. (im Folgenden: Fa. L.) die Beklagte wegen Urheberrechtsverletzungen auf Unterlassung in Anspruch. Es erging am 16.9.2002 eine einstweilige Verfügung gegen die Beklagte, die nach erfolgtem Widerspruch durch Urteil des LG Hamburg v. 1.10.2002 bestätigt wurde. Das Urteil wurde der Beklagten am 21.10.2002 zugestellt. Die Prozessvertreter der Fa. L. (Rechtsanwälte, Hamburg) forderten die Beklagte mit Schreiben v. 7.11.2002 zur Abgabe einer sog. Abschlusserklärung auf und übersandten gleichzeitig ihre auf § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO gestützte Kostennote über 1.808,44 Euro. Auf entsprechenden Rat ließ die Beklagte durch die Klägerin zur Vermeidung des Hauptsacheverfahrens am 12.11.2002 die verlangte Abschlusserklärung abgeben und beglich die Kosten i.H.v. 1.213,36 Euro (1.046 Euro zzgl. Umsatzsteuer) an die Anwälte der Fa. L.
Die Beklagte ist der Ansicht, die Klägerin habe sie falsch beraten. Dadurch sei ihr ein Schaden i.H.v. 1.046 Euro entstanden. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, die Kosten der Aufforderung zur Angabe der Abschlusserklärung zu tragen. Außerdem habe die Klägerin sie pflichtwidrig nicht darauf hingewiesen, dass durch rechtzeitige freiwillige Abgabe der Abschlusserklärung vor Aufforderung durch die Prozessgegnerin diese Kosten jedenfalls vermieden worden wären.
Das LG - 7. Zivilkammer - hat durch Urt. v. 8.1.2003 der Klage stattgegeben und in den Gründen ausgeführt, dass der Beklagten aufrechenbare Gegenansprüche nicht zustünden. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten.
Die Beklagte beantragt, das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage, soweit nicht von ihr anerkannt, abzuweisen.
Die Klägerin beantragt demgegenüber, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Die Berufung der Beklagten ist statthaft (§ 511 ZPO) und auch im Übrigen zulässig, insb. in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 517, 519, 520 ZPO).
Sie ist darüber hinaus auch begründet.
Der Honoraranspruch der Klägerin vermindert sich um einen Betrag von 1.046 Euro. In dieser Höhe hat die Beklagte nämlich wirksam die Aufrechnung erklärt mit einem Schadenersatzanspruch, der sich aus dem Gesichtspunkt anwaltlicher Falschberatung ergibt. Der Beratungsfehler der Klägerin, der eine Verletzung des Anwaltsvertrages, der seinerzeit zwischen den Parteien bestand, darstellt, hat bei der Beklagten zu einem Schaden i.H.v. 1.046 Euro geführt. In dieser Höhe musste die Beklagte nämlich Anwaltskosten an ihre damaligen Prozessgegner bzw. an deren Bevollmächtigte...