Leitsatz (amtlich)

Macht eine Behörde oder eine Körperschaft des öffentlichen Rechts einen auf sie kraft Gesetzes übergegangenen Schadensersatzanspruch gegen einen Dritten geltend, kommt es für die Kenntnis i.S.d. § 852 BGB in der bis zum Ablauf des 31.12.2001 geltenden Fassung darauf an, wann der nach der behördlichen Organisation zuständige, mit der Bearbeitung betraute Bedienstete diese Kenntnis erlangt hat.

 

Normenkette

BGB § 852 a.F.

 

Verfahrensgang

LG Bremen (Urteil vom 10.04.2002; Aktenzeichen 4 O 173/01 (2)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Bremen – 4. Zivilkammer – vom 10.4.2002 wie folgt abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 13.835,49 Euro nebst 5,75 % Zinsen seit dem 8.1.2001 sowie 5,11 Euro vorgerichtliche Mahnkosten zu zahlen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Wegen des Tatbestandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem Urteil des LG vom 10.4.2002 (Bl. 129 f. d.A.) Bezug genommen, § 540 Abs. 1 ZPO.

Die zulässige Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Bremen – 4. Zivilkammer – vom 10.4.2002 ist begründet. Das LG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch i.H.v. 13.835,49 Euro gem. § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 5 Opferentschädigungsgesetz (OEG) und § 81a Bundesversorgungsgesetz (BVG) zu. Der Anspruch der Klägerin ist – entgegen der Ansicht des LG – auch nicht verjährt.

Dass der deliktische Schadensersatzanspruch der Klägerin dem Grunde nach entstanden ist, ist unstreitig.

Der Anspruch besteht auch in der geltend gemachten Höhe. Das pauschale Bestreiten des Beklagten hinsichtlich der Höhe der Forderung ist unerheblich, da es nicht hinreichend substantiiert ist. Die Klägerin hat nämlich nicht nur das kiefer-gesichtschirurgische Gutachten des Privatsachverständigen Dr. Dr. S. vom 10.1.1998 vorgelegt (Anlage K 1, Bl. 16 ff. d.A.), sondern auch die der Klagforderung zur Summe von 13.835,49 Euro zugrunde liegenden Rechnungspositionen im Einzelnen aufgeschlüsselt und mit entsprechenden Rechnungen belegt (Bl. 14, 36 ff. d.A., Anlagen K 6 und K 7). Nach diesen Unterlagen hat die AOK Bremen/Bremerhaven wegen der dem Geschädigten S. vom Beklagten am 24.8.1996 vorsätzlich zugefügten Verletzungen Aufwendungen zur Summe von 27.59,89 DM = 13.835,45 DM für den Geschädigten verauslagt, die sich wie folgt zusammensetzen:

Versorgungskrankengeld 6.300,74 DM

Krankenhauskosten 19.272,61 DM

Krankentransport-, Reisekosten 454,54 DM

Zahnersatz 1.032 DM.

Im Hinblick auf diese detaillierten Darlegungen der Klägerin ist das pauschale Bestreiten der Beklagten unsubstantiiert und daher unbeachtlich.

Der Schadensersatzanspruch der Klägerin ist weder verjährt noch verwirkt.

Der Beklagte beruft sich zu Unrecht auf die Einrede der Verjährung (§ 222 Abs. 1 BGB a.F.). Gem. § 852 Abs. 1 BGB a.F. verjährt der Anspruch auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens in 3 Jahren von dem Zeitpunkt an, in welchem der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt. Diese dreijährige Verjährungsfrist ist nicht abgelaufen. Der Lauf der Verjährungsfrist begann mit der Kenntnis der Mitarbeiter der Regressabteilung des Versorgungsamtes Bremen vom Schadensfall und somit nicht vor dem 12.10.1998 (vgl. Anlage K 9 = Bl. 66 d.A.). Der Lauf der Verjährungsfrist ist mithin rechtzeitig durch Zustellung des Mahnbescheides am 8.1.2001 unterbrochen worden (§ 209 Abs. 2 Nr. 1 BGB a.F.).

Maßgebend für den Beginn der Verjährungsfrist ist allein die Kenntnis der Mitarbeiter der Regressabteilung des Versorgungsamtes Bremen; die Kenntnis der Mitarbeiter der Leistungsabteilung dieser Behörde ist insoweit nicht entscheidend.

Nach der zutreffenden st. Rspr. des BGH kommt es nämlich immer dann, wenn es sich bei dem zessionsberechtigten Anspruchsinhaber um eine Behörde oder eine öffentliche Körperschaft handelt, für die Kenntnis i.S.d. § 852 BGB a.F. darauf an, wann der nach der behördlichen Organisation zuständige, mit der Vorbereitung und Verfolgung von Schadensersatzansprüchen betraute Bedienstete diese Kenntnis erlangt hat (BGH VersR 2001, 863, [864]; v. 25.6.1996 – VI ZR 117/95, BGHZ 133, 129 [138 f.] = MDR 1996, 1128; v. 4.2.1997 – VI ZR 306/95, BGHZ 134, 343 [346] = MDR 1997, 459; v. 9.3.2000 – III ZR 198/99, VersR 2000, 1277 = MDR 2000, 698 = NJW 2000, 1411). Nur dessen Wissen wird der Behörde oder der Körperschaft bei Ansprüchen aus unerlaubter Handlung zugerechnet. In diesem Sinne zuständig waren nur Mitarbeiter der Rechtsabteilung des Versorgungsamtes Bremen. Denn nach dem Organisationsplan des Versorgungsamtes (Bl. 106 f.) ist für die Prüfung und Geltendmachung von Regressansprüchen allein die Rechtsabteilung der Behörde und nicht die Leistungsabteilung zuständig.

Der Senat folgt der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung; denn der ihr zugrunde liegende Grundgedanke ist überzeugend: Der im Vergleich zu § 19...

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