Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzulässiger Parteiwechsel, prozessuale Folgen bei unwirksamer Änderung des Passivrubrums

 

Leitsatz (amtlich)

1. Geht der Kläger irrtümlich davon aus, dass es bei der Beklagten nur einen Wechsel in der Firmenbezeichnung gegeben hat, während tatsächlich ein nicht identitätswahrender Inhaberwechsel erfolgte, besteht kein Raum für eine Berichtigung des Passivrubrums.

2. Wird das Passivrubrum gleichwohl erstinstanzlich durch Beschluss geändert, liegt ein unzulässiger Parteiwechsel vor, der den Berichtigungsbeschluss insgesamt unwirksam macht.

3. Ergeht auf Grund der unwirksamen Änderung des Passivrubrums ein der Klage stattgebendes Urteil, ist dieses Urteil wirkungslos.

4. Ungeachtet seiner Wirkungslosigkeit unterliegt das Urteil der Anfechtung durch die Berufung. Das Urteil ist entsprechend § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 ZPO aufzuheben und an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückzuverweisen, denn die Situation, dass der ursprünglich Beklagte nicht am Berufungsverfahren beteiligt ist, gleicht der Prozesslage nach Erlass eines unzulässigen Teilurteils.

 

Normenkette

ZPO §§ 300, 313, 538 Abs. 2 S. 1 Nrn. 1, 7, S. 3

 

Verfahrensgang

LG Bremen (Urteil vom 01.07.2009)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten [...] wird das Urteil des LG Bremen - 1. Kammer für Handelssachen - vom 1.7.2009 aufgehoben.

Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung, jedoch werden Gerichtskosten für den Berufungsrechtszug nicht erhoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Zur weiteren Entscheidung des Rechtsstreits gegen den Beklagten H. S. [...] wird der Rechtstreit an das LG Bremen zurückverwiesen.

 

Gründe

I. Die Klägerin ist angebliche Assekuradeurin der Verkehrsversicherer der G.-GmbH. Diese hatte im Oktober 2002 die Firma Heinrich Schröder Fuhrgeschäft Umzugs- Güternah- und Fernverkehr, Inhaber Heinrich Schröder, mit dem Transport und der zollrechtlichen Abfertigung eines zur Verschiffung nach Mexiko bestimmten Kühlcontainers Käse von Dargun nach Bremerhaven beauftragt, wobei die Zollabfertigung nicht ordnungsgemäß erfolgt sein soll. Die Klägerin macht aus abgetretenem Recht der G.-GmbH sowie der L.-GmbH, die ihrerseits die G.-GmbH beauftragt hatte, sowie in Prozessstandschaft für die Versicherer nach Schadensregulierung Schadensersatzansprüche gegen den Frachtführer geltend, weil dieser vertragswidrig die Sendung in Bremerhaven nicht dem Zoll gestellt habe.

Im Termin vor dem LG Bremen am 10.6.2009 hat der dort vernommene Zeuge S. erklärt, sein Vater H. S. (Inhaber der ursprünglich Beklagten) habe sich vor kurzem zurückgezogen und sein Unternehmen auf seinen Bruder A. S. übertragen Dieser führe das Geschäft unter dem Namen A. S. Fuhrgeschäft weiter. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 22.6.2009 unter Bezugnahme auf die Erörterungen im Termin vom 10.6.2009 beantragt, das Passivrubrum in "Firma A. S., Inhaber A. S. r" zu ändern.

Am 30.6.2009 hat das LG daraufhin beschlossen:

"Das Passivrubrum wird dahingehend berichtigt, dass Beklagter Herr A. S., Inh. der nicht eingetragenen Unternehmung A. S. Container Transporte ist."

Das LG Bremen - 1. Kammer für Handelssachen - hat mit Urteil vom 1.7.2009 nach Beweisaufnahme durch Vernehmung von drei Zeugen der Klage überwiegend stattgegeben und Herrn A. S., Inh. der nicht eingetragenen Unternehmung A. S. Container Transporte, als Beklagten verurteilt, an die Klägerin EUR 34.136,52 nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.7.2007 zu zahlen.

Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingelegte und begründete Berufung des A. S.. Er rügt in erster Linie eine nicht statthafte Rubrumsberichtigung, die in Wirklichkeit einen echten Parteiwechsel darstelle.

Der Beklagte A. S. beantragt, das Urteil des LG Bremen vom 1.7.2009 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin, die erklärt hat, eine echte Parteiänderung sei nicht gewollt gewesen und der Antrag auf Änderung des Passivrubrums sei irrtümlich erfolgt, beantragt, die Berufung zurückzuweisen, sowie hilfsweise das Urteil des LG Bremen aufzuheben und den Rechtsstreit an das LG Bremen zurückzuverweisen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im ersten Rechtszuge wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsrechtszug wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze vom 12.11.2009, 17.12.2009 sowie 13.1.2010 Bezug genommen.

II. Die Berufung ist zulässig und insoweit in der Sache erfolgreich, als das erstinstanzliche Urteil vom 1.7.2009 der Aufhebung unterliegt.

Denn dieses Urteil richtet sich gegen A. S., den Sohn des Inhabers der ursprünglichen Beklagten, der aber - wie zwischen den Parteien unstreitig ist - mit der Stre...

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