Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwaltliche Pflichtverletzung im Zugewinnausgleichsverfahren; Voraussetzungen des privilegierten Erwerbs im Sinne von § 1374 Abs. 2 BGB bei einem Immobilienkaufvertrag zwischen Mutter und Tochter
Leitsatz (amtlich)
1. Ob ein Vermögen mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht übergeben und erworben wird und damit aufgrund der Regel des § 1374 Abs. 2 BGB als Vermögensposten dem Zugewinn entzogen bleibt, richtet sich in erster Linie danach, ob die Vertragsschließen-den mit der Übergabe einen erst zukünftigen Erbgang vorwegnehmen wollen.
2. Ob es sich bei einem Vertrag tatsächlich um eine vorweggenommene Erbfolge handelt, muss durch Auslegung des Vertrages unter Berücksichtigung aller Umstände einschließlich der Vorgeschichte und der Interessenlage der Beteiligten ermittelt werden.
3. Die Voraussetzungen des privilegierten Erwerbs nach § 1374 Abs. 2 BGB liegen nicht vor bei einem reinen Immobilienkaufvertrag zwischen Mutter und Tochter, wenn sich Leistung und Gegenleistung (jedenfalls nahezu) äquivalent gegenüberstehen und sich auch aus den sonstigen Umständen keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Kaufvertrag mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht geschlossen wurde.
Normenkette
BGB § 280 Abs. 1, §§ 611, 675, 1374 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Bremen (Aktenzeichen 4 O 1649/19) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Bremen vom 12.11.2021 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 116.146,05 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Schadensersatz wegen des Vorwurfs einer anwaltlichen Pflichtverletzung.
Die Klägerin beauftragte den Beklagten mit der Vertretung in dem Scheidungs- und Güterrechtsverfahren gegen ihren damaligen Ehemann vor dem Amtsgerichts Zeven (Az. [...]).
Durch Beschluss vom 03.04.2018 wurde die Klägerin zur Zahlung eines Zugewinnausgleichs in Höhe von 155.933,58 EUR zzgl. Zinsen verpflichtet. Hinsichtlich des Inhalts des Beschlusses des Amtsgerichts Zeven wird auf Anlage 1 (BI. 15 ff. d.A.) Bezug genommen.
Gegen diesen Beschluss legte der Beklagte am 14.05.2018, dem letzten Tag der Beschwerdefrist, Beschwerde beim (insoweit unzuständigen) Oberlandesgericht C. ein. Zuständig für die Einlegung der Beschwerde wäre gemäß § 64 Abs. 1 Satz 1 FamFG das Amtsgericht Z. gewesen. Der Beschluss vom 03.04.2018 wurde somit rechtskräftig; der Ehemann der Klägerin vollstreckte hieraus.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass das Beschwerdeverfahren, hätte der Beklagte die Beschwerde fristgemäß beim zuständigen Gericht eingelegt, zu ihren Gunsten ausgegangen wäre. Deshalb sei der Beklagte nunmehr zum Ersatz der wegen der verspätet erhobenen Beschwerde entstandenen Schäden verpflichtet.
Im Einzelnen hat die Klägerin dazu die Auffassung vertreten, dass das von ihr durch notariellen Kaufvertrag vom 28.01.1998 von ihrer Mutter erworbene Wohngrundstück in X., A.-Straße [...], im Rahmen des Zugewinnausgleichsverfahrens in ihrem Anfangsvermögen und nicht in ihrem Endvermögen hätte berücksichtigt werden müssen, da der Erwerb nach § 1374 Abs. 2 BGB privilegiert sei.
Hintergrund hierfür ist unstreitig, dass die Klägerin und ihre Mutter am 28.01.1998 einen Kaufvertrag über das Grundstück in X., A.-Straße [...], abgeschlossen hatten. Dabei wurde neben einem Kaufpreis von 55.000,00 DM die Zahlung einer lebenslangen Rente von zunächst monatlich 800,00 DM über 24 Monate und anschließend monatlich 1.000,00 DM vereinbart. Gleichzeitig wurde der Mutter ein lebenslanges Nießbrauchrecht an der im Stallgebäude befindlichen Einliegerwohnung eingeräumt. Sowohl die Reallast als auch das Nießbrauchrecht wurden durch Eintragung in das Grundbuch dinglich gesichert.
Die Klägerin hat behauptet, sie habe das Grundstück zum Zweck der vorweggenommenen Erbfolge von ihrer Mutter erworben. Dies zeige schon der am 23.08.1984 zwischen der Klägerin, ihren Geschwistern und der Mutter geschlossene Erbvertrag, welcher die Erbeinsetzung hinsichtlich des streitgegenständlichen Grundstücks als Hofgrundstück regele. Hinsichtlich des Inhalts des Erbvertrages wird auf Anlage 6 (Bl. 32 ff. d.A.) Bezug genommen.
Der im Grundbuch eingetragene Höfevermerk sei nur deshalb gelöscht worden, weil die Mutter der Klägerin habe verhindern wollen, dass die Schwester der Klägerin S., welche als Landwirtin die formalen Voraussetzungen zur Übernahme eines landwirtschaftlichen Grundstücks erfüllt hätte, den Hof bekomme.
Die Klägerin hat behauptet, ihre Mutter habe sich mit der Bitte an sie gewandt, dass sie und ihr damaliger Ehemann von Y. in den Norden zurückkehren und das streitgegenständliche Grun...