Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur irreführenden Werbung bei der Bewerbung eines Produktes als "nachhaltig"
Leitsatz (amtlich)
1. An die zur Vermeidung einer Irreführung erforderlichen aufklärenden Hinweise über die Bedeutung der verwendeten Begriffe sind auch bei einer Bewerbung eines Produktes als "nachhaltig" - ebenso wie im Bereich umweltbezogener Werbeaussagen - strenge Anforderungen zu stellen (Anschluss an OLG Hamm, Urteil vom 19. August 2021 - I-4 U 57/21 -, juris). Erforderlich ist auch hier die konkrete Benennung des jeweiligen, die Anpreisung als nachhaltig tragenden Vorzugs des Produktes.
2. Diese Anforderungen gelten auch für eine Werbung, die sich an Fachkreise wendet (Anschluss an OLG Hamburg, Urteil vom 2. Mai 2007 - 5 U 85/06 -, Rn. 35, juris).
3. Eine hinreichende Aufklärung kann darin liegen, wenn die ausgelobte Nachhaltigkeit damit begründet wird, dass das Produkt nach den strengen Vorgaben des ökologischen Landbaus erzeugt worden ist. Nicht ausreichend ist es aber, wenn dass das Produkt lediglich zusätzlich mit dem Siegel der EG-Öko-Verordnung beworben wird, ohne dass erkennbar wird, dass die zugleich verwendete Anpreisung als nachhaltig lediglich auf diese zertifizierte Erzeugungsmethode und nicht auch auf andere Nutzen im Sinne einer weiter gefassten Nachhaltigkeit gestützt wird.
4. Die Eignung einer solchen Irreführung dazu, andere Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, kann bereits darin liegen, Angehörige von Fachkreisen im Sinne einer Anlockwirkung zur Aufnahme von Recherchen über das Produkt zu veranlassen.
5. Zu einer Bewerbung mit den Anpreisungen als "ressourcenfreundlich", "kurze Lieferwege", "füttert die Bienen" und "fördert die Biodiversität".
Normenkette
UWG § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1, § 8 Abs. 3 Nr. 2, §§ 8b, 12 Abs. 1, § 15a Abs. 1
Verfahrensgang
LG Bremen (Aktenzeichen 9 O 885/22) |
Tenor
1. Das Urteil des Landgerichts Bremen vom 03.08.2022 - Az. 9 O 885/22 - wird auf die Berufung des Verfügungsklägers hin abgeändert und unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung des Verfügungsklägers wie folgt neu gefasst:
Der Verfügungsbeklagten wird im Wege der einstweiligen Verfügung bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer, untersagt, im geschäftlichen Verkehr wie folgt zu werben:
a) für das Produkt "Cupper Bio Tee Nachhaltige Kamille" mit der Angabe
"Nachhaltige Kamille"
und/oder
"ressourcenfreundlich",
b) für das Produkt "Cupper Bio Tee Nachhaltige Minze" mit der Angabe
"Nachhaltige Minze"
und/oder
"Kurze Lieferwege",
c) für das Produkt "Cupper Bio Tee Nachhaltiger Fenchel" mit der Angabe
"Nachhaltiger Fenchel",
jeweils, wenn dies geschieht wie in der nachstehend wiedergegebenen Anzeige in der Lebensmittel Zeitung (LZ), Ausgabe 18 vom 6. Mai 2022, ersichtlich:
((Abbildung))
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfügungsverfahrens in beiden Instanzen tragen der Verfügungskläger zu 40% und die Verfügungsbeklagte zu 60%.
3. Der Streitwert wird auf 50.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Verfügungskläger nimmt die Verfügungsbeklagte im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes auf Unterlassung einer Werbung für drei von der Verfügungsbeklagten unter der Marke "CUPPER" vertriebene Kräuterteesorten, die in der Zeitschrift "Lebensmittel Zeitung" veröffentlicht wurde, in Anspruch.
Für die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts sowie für die erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf das angefochtene Urteil verwiesen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
Das Landgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Ein Anspruch auf Unterlassung der beanstandeten Werbung aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, 3, 5 Abs. 1 UWG sei nicht glaubhaft gemacht, insbesondere die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 UWG seien nicht erfüllt. Denn gegenüber dem allein angesprochenen Fachpublikum erzeuge die Werbung der Verfügungsbeklagten keine unrichtigen Vorstellungen über die Eigenschaften der beworbenen Kräutertees.
Die Lebensmittel Zeitung (im Folgenden: LZ) wende sich als "Fach- und Wirtschaftsmedium der Konsumgüterbranche" lediglich an ein Fachpublikum in Form der "Entscheider in Handel und Konsumgüterindustrie". Die Behauptung des Verfügungsklägers, dass die Zeitung auch von Verbrauchern gelesen werde, sei zum einen nicht glaubhaft gemacht und zum anderen auch unerheblich.
Gegenüber dem Fachpublikum sei die beanstandete Werbung aber nicht irreführend. Dieses verstehe die Werbung hinsichtlich der beworbenen Nachhaltigkeit, Ressourcenfreundlichkeit und Biodiversität vielmehr vor dem Hintergrund der angegebenen Bio-Zertifizierung nach der EG-Ökoverordnung. Aus dem Gesamtzusammenhang sei ohne Weiteres erkennbar, dass die beworbene Nachhaltigkeit allein mit der biologischen Erzeugung der Kräutertees begründet werde, was durch die Hervorhebung der Bio-Qualität in Wort und Bild eindeutig sei. Es sei üblich und zumutbar, dass sich die ...