Leitsatz (amtlich)
Ist Gegenstand der Schenkung des Erblassers ein Grundstück, liegt eine Leistung i.S.d. § 2325 Abs. 3 BGB im Zeitpunkt der Eintragung des Beschenkten im Grundbuch vor, wenn sich der Erblasser nur an einzelnen Räumen des Hauses ein ausschließliches Wohnrecht, an weiteren Räumlichkeiten des Hauses sowie an den gemeinschaftlichen Einrichtungen des Grundstückes ein Mitbenutzungsrecht einräumen lässt und an den übrigen Räumen des Hauses keinerlei Wohn- und Nutzungsrechte behält.
Normenkette
BGB § 2325 Abs. 1, 3
Verfahrensgang
LG Bremen (Urteil vom 09.09.2004; Aktenzeichen 6 O 2108/03) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Bremen - 6. Zivilkammer - v. 9.9.2004 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 9.546,71 Euro festgesetzt.
Gründe
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
I. Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Pflichtteilsergänzungsanspruch gem. § 2329 BGB auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das Grundstück in der A. straße in W. wegen eines Betrages i.H.v. 9.546,71 Euro nebst Zinsen nicht zu. Unabhängig von der Frage, in welchem Umfang in der Übertragung des genannten Grundstückes gegen Einräumung eines Altenteils (teilweise) eine Schenkung zu sehen ist, wäre eine solche Schenkung gem. § 2325 Abs. 3 BGB nicht zu berücksichtigen. Nach dieser Vorschrift bleibt eine Schenkung unberücksichtigt, wenn zur Zeit des Erbfalls zehn Jahre seit der Leistung des verschenkten Gegenstandes verstrichen sind. Eine "Leistung" i.S.d. § 2325 Abs. 3 BGB ist nicht schon dann zu bejahen, wenn der Schenker seine Eigentümerstellung aufgegeben hat, sondern erst, wenn er auch darauf verzichtet hat, das Grundstück im wesentlichen weiterhin zu nutzen. Ein solcher Verzicht liegt regelmäßig nicht vor, wenn sich der Erblasser uneingeschränkt den Nießbrauch an der Sache vorbehält, weil er in einem solchen Falle den Genuss des verschenkten Gegenstandes nicht tatsächlich entbehren muss (BGH v. 27.4.1994 - IV ZR 132/93, MDR 1994, 1015 = NJW 1994, 1791; Palandt/Edenhofer, BGB, 63. Aufl., § 2325 Rz. 22). Hat der Erblasser aber einen spürbaren Vermögensverlust erlitten und musste er daher die Folgen des durch die Eigentumsübertragung geschaffenen Zustandes selbst noch zehn Jahre tragen, beginnt mit der Eintragung des Beschenkten in das Grundbuch die Frist des § 2325 Abs. 3 BGB zu laufen (OLG Düsseldorf v. 28.2.1997 - 7 U 45/96, OLGReport Düsseldorf 1997, 245 = FamRZ 1997, 1114).
Nach diesen Grundsätzen war die zehnjährige Frist des § 2325 Abs. 3 BGB zur Zeit des Erbfalls am 19.10.2001 verstrichen, nachdem die Eintragung des Beklagten ins Grundbuch nunmehr unstreitig am 16.11.1990 erfolgt war. Soweit der Kläger geltend macht, dass sich an den Nutzungsverhältnissen vor und nach der Eigentumsübertragung des Grundstückes faktisch nichts geändert habe, und daher die von dem BGH in der genannten Entscheidung entwickelten Grundsätze auch für den vorliegenden Fall anzuwenden seien, übersieht der Kläger, dass sich die Eltern der Parteien von dem Beklagten nicht ein uneingeschränktes Nießbrauchsrecht an dem Grundstück einräumen ließen, sondern lediglich ein ausschließliches Wohnrecht an nur zwei Zimmern im Obergeschoss des Hauses sowie ein Mitbenutzungsrecht an weiteren Räumen des Erdgeschosses und an allen gemeinschaftlichen Einrichtungen des Hauses und des Grundstückes erhielten. Aus der maßgeblichen ex-ante-Betrachtung hatte sich die Rechtsstellung des Erblassers mit dem Vollzug der Schenkung des Grundstückes damit deutlich verschlechtert. Denn der Beklagte hatte vor der Grundstücksübertragung keinerlei eigene Besitz- bzw. Nutzungsrechte am Grundstück und am Haus. Vor der Übertragung des Grundstückes hätte der Erblasser daher den Beklagten und dessen Familie im Streitfalle von der Nutzung des Grundstückes und des Hauses ausschließen können. Dies war nach der Grundstücksübertragung nur noch möglich hinsichtlich der ihm vom Beklagten ausschließlich zur eigenen Nutzung überlassenen Zimmer im Obergeschoss. Der Beklagte hingegen erhielt durch die Eigentumsübertragung nicht nur an einem Zimmer im Obergeschoss und an dem Zimmer im Dachgeschoss das alleinige Nutzungsrecht, sondern auch hinsichtlich der weiteren Räume des Erdgeschosses und an allen gemeinschaftlichen Einrichtungen des Hauses und des Grundstückes ein Mitbenutzungsrecht, Nutzungsrechte also, die er zuvor nicht besaß, und die es zukünftig verhinderten, dass er von dem Erblasser von der Nutzung ausgeschlossen werden konnte. Angesichts dieses spürbaren Vermögensverlustes des Erblassers wird auch dem von § 2325 Abs. 1 BGB verfolgten Zweck, zu verhindern, dass einerseits Pflichtteilsergänzungsansprüche eines missliebigen Angehörigen vereitelt werden und andererseits faktisch alles beim Alten belassen bleibt, ausreichend Rechnung getragen.
Für eine Anwendung der Grundsätze...