Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirkungen einer nationalen gerichtlichen Entscheidung über die internationale Zuständigkeit in Ansehung einer Gerichtsstandsklausel
Leitsatz (amtlich)
1. Hat ein Gericht innerhalb des Geltungsbereichs der EuGVVO (hier: Appellationshof Antwerpen) mit Bindungswirkung nach Art. 33 EuGVVO entschieden, so müssen sich die Rechtsnachfolger (Zessionare) im Anerkennungsstaat Deutschland, auch wenn sie an dem Rechtsstreit selbst nicht beteiligt waren, die mit dem ausländischen Urteil eintretende Wirkungserstreckung nach § 325 Abs. 1 ZPO entgegenhalten lassen.
2. Wird der Absender an eine wirksame in den Konnossementsbedingungen enthaltene Zuständigkeitsregelung gebunden, so beruht dies regelmäßig nicht auf einer Pflichtverletzung des Ausstellers. Der Absender muss sich an einer solchen Bestimmung nach den Gegebenheiten des kaufmännischen internationalen Handelsbrauchs und der danach anzuerkennenden Geltung der Konnossementsklauseln grundsätzlich festhalten lassen.
Normenkette
EuGVVO Art. 32-33; HGB §§ 513 ff.; ZPO § 325 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Bremen (Aktenzeichen 11 O 253/10) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin zu 5. wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin zu 5..
Das Urteil des LG Bremen, soweit es die Klägerin zu 5. betrifft, und dieses Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin zu 5. kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I. Die Klägerin zu 5. stellt Anlagen zur Abfüllung und Verpackung von Getränken her. Die Klägerinnen zu 1. - 4. sind die Transportversicherer der Klägerin zu 5.
Im Jahre 2006 verkaufte die Klägerin zu 5. zum Preis von rd. EUR 4,2 Mio. eine Brauereianlage an ein Unternehmen in Mexiko (C. S. A.).
Die Klägerin zu 5. beauftragte am 26.6.2006 die Beklagte per E-Mail zu festen Preisen mit dem Transport der Anlage von Antwerpen via Altamira/Mexiko (Löschhafen und von dort aus weiter auf dem Landweg) nach Guadalajara/Mexiko ("ab frei Eingang Antwerpen bis DDU Brauerei C. Guadalajara"). Bei der Beklagten handelt es sich um ein Tochterunternehmen der S. Holding B. V. in Rotterdam, einem 1990 in Island gegründeten Transport- und Logistikunternehmen, welches bis 2005 Tochter einer Muttergesellschaft in Island war. Am 27.6.2006 übersandte die Beklagte eine Auftragsbestätigung. Die Übergabe der Sendung an die Beklagte erfolgte am 13.8.2006. Die Beklagte erstellte an demselben Tag für den Seetransport Antwerpen - Altamira ein mit "Bill of Ladung" überschriebenes Dokument, in welchem die Klägerin als "shipper" und die Empfängerin als "consignee", Antwerpen/Belgien als Ladehafen und Altamira/Mexiko als Zielhafen aufgeführt wurden. Auf der Rückseite ("Endorsements") des nicht an Order ausgestellten Konnossements heißt es unter Nr. 2:
"JURISDICTION. Any dispute arising under this bill of lading to be decided in Iceland according to Icelandic law."
Die Beklagte führte den Transport mittels Unterfrachtführern durch. Bei der Ankunft in Altamira wurden nach Darstellung der Klägerinnen Transportschäden festgestellt. Einzelheiten hierzu sind streitig. Die Empfängerin verweigerte die Übernahme der Sendung. Durch das Büro B. erfolgte am 27.9.2006 eine Untersuchung der Schäden.
Die Klägerin zu 5. trat am 6.8.2007/5.9.2007 ihre Ansprüche aus dem Schadenfall an die Klägerinnen zu 1. - 4. im prozentualen Verhältnis ihrer Risikobeteiligung ab, ebenso die Empfängerin am 3.9.2007 ihre Ansprüche aus dem Konnossement.
Die Empfängerin und die Klägerinnen zu 1. - 4. riefen am 30.8.2007 die belgischen Gerichte an, um ihre (teils aus abgetretenem Recht erlangten) Schadenersatzansprüche zu verfolgen. Mit Berufungsurteil vom 5.10.2009 (Aktenzeichen 2008/AR/820) erklärte sich der Appellationshof Antwerpen für unzuständig ("ohne Rechtsprechungsbefugnis"). Die Klägerinnen zu 1. - 4. seien an die Gerichtsstandsklausel des Konnossements gebunden. U.a. heißt es in dem Urteil:
"Unter Berücksichtigung des Vorausgehenden ist deshalb zu entscheiden:
...
- dass die Kl. zu 5.), als "verscheper" (so im Originaltext, in der deutschen Übersetzung mit "Verschifferin" übersetzt) und Vertragspartnerin der S. und also auch die Versicherer der Kl. zu 5. - die in die Rechte der Kl. zu 5.) eingetreten sind - durch die Klauseln des Konnossements, unter denen die Gerichtsstandsklausel, gebunden sind
- Die Klausel 2 der Konnossementsbedingungen beinhaltet eine ausschließliche Gerichtsstandsklausel zugunsten der Gerichte in Island."
(deutsche Übers.)
Dieses Urteil wurde rechtskräftig.
Am 19.8.2010/31.8.2010 traten die Klägerinnen zu 1. - 4. den Schadenersatzanspruch mit Ausnahme eines Teilbetrages von EUR 235.666,46 i.H.v. zwei Sonderziehungsrechten wieder an die Klägerin zu 5. ab.
Die Klägerinnen zu 1. - 4. haben sodann vor dem LG Bremen Klage auf Schadenersatz erhoben (Aktenzeichen 11 O 253/10).
Die Klägerin zu 5. hat am 7.9.2010 Klag...