Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Erziehungseignung eines Elternteils bei Nichtherausgabe eines Kindes an den allein sorgeberechtigten Elternteil und Vereitelung der Vollstreckung eines Beschlusses zur Herausgabe.
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Abänderungsantrag zur elterlichen Sorge kann weder mit dem Ziel der nochmaligen Überprüfung der Vorentscheidung noch allein mit einer dieser nachgehenden Kindesentführung seitens des nicht (mehr) sorgeberechtigten Elternteils begründet werden (Fortführung Senatsbeschluss vom 5. Mai 2022 -10 WF 51/22-, FamRZ 2023, 148).
2. Ein Fall mangelnder Erziehungseignung liegt vor, wenn ein Elternteil zum wiederholten Male das Kind in Anwesenheit zahlreicher dritter Personen (sog. "Unterstützer" des herauspflichtigen Elternteils) bei eigener Ton- und Bildaufzeichnung und Anwesenheit eines "Kameramannes" mit zur Aufnahme bereitem technischen Gerät bewusst und gezielt einer Vollstreckungsmaßnahme aussetzt (Fortführung Senatsbeschluss vom 14. Juli 2021 -10 UF 245/20-, FamRZ 2022, 611).
3. Gegen die Erziehungseignung eines nicht sorgeberechtigten Elternteils spricht weiter, wenn dieser zur Vermeidung der Vollstreckung einer Herausgabe des Kindes dieses aus dem bisherigen Wohnumfeld herausnimmt, nicht mehr zur Schule gehen lässt und damit von sämtlichen bestehenden sozialen Kontakten abschneidet.
4. Das Absehen von der erstinstanzlichen Anhörung eines Kindes ist insbesondere dann nicht verfahrensfehlerhaft, wenn der zur Herausgabe verpflichtete Elternteil die Vorstellung des Kindes bei Gericht davon abhängig macht, dass anlässlich dessen Anhörung auf die Vollstreckung einer wirksamen Verpflichtung zur Herausgabe des Kindes verzichtet werde.
Normenkette
BGB §§ 1671, 1696 Abs. 1; FamFG
Verfahrensgang
AG Hannover (Aktenzeichen 618 F 369/22) |
Tenor
Der Antragstellerin wird die für das Beschwerdeverfahren nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe (VKH) versagt.
Die Beschwerden der Antragstellerin sowie des Verfahrensbeistandes werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.
Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren: 4.000 EUR.
Gründe
I. Die Antragstellerin begehrt vorliegend die Abänderung einer Senatsentscheidung über die elterliche Sorge für die beiden Töchter der Beteiligten.
Beim Senat waren parallel dazu zwischen den Beteiligten zwei weitere Beschwerdeverfahren anhängig, die zugleich beschieden worden sind. Dabei ging es zum einen um die Anordnung von Ordnungsmitteln gegenüber der hiesigen Antragstellerin wegen der unterbliebenen Herausgabe der Tochter M. in der Zeit zwischen dem 9. Dezember 2021 und dem 9. Februar 2022 (Parallelverfahren 10 WF 135/22 - im weiteren PV), zum anderen um die von der Antragstellerin im Wege einstweiliger Anordnung (!) begehrte und vom Amtsgericht zurückgewiesene Bestimmung für die Zeit seit Juli 2021 als Bezugsberechtigte des Kindergelds für die von ihr entführte Tochter M. (10 UF 181/22).
A. Die elterliche Sorge für die beiden betroffenen minderjährigen Töchter der Beteiligten M. C. und L. E., die bereits zuvor durch einstweilige Anordnung allein dem Antragsgegner zugewiesen war, war durch Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 16. Dezember 2020 (mit Ausnahme des Rechts zur Bestimmung des Umgangs) auch in der Hauptsache auf den Antragsgegner allein übertragen worden; diese Entscheidung ist nach beiderseitigen Beschwerden der Beteiligten durch Senatsbeschluss vom 14. Juli 2021 (10 UF 245/20 - FamRZ 2021, 611 ff = juris), auf den auch zur weiteren ausführlichen Darstellung des Sachverhalts insbesondere hinsichtlich der Vorgeschichte Bezug genommen wird, mit der Maßgabe bestätigt worden, dass die vom Amtsgericht vorgenommene und vom Senat alsbald im Wege einstweiliger Anordnung außer Vollzug gesetzte Einschränkung bezüglich des Umgangsbestimmungsrechts entfiel.
Nachdem die Töchter in der Zeit nach der amtsgerichtlichen Hauptsacheentscheidung tatsächlich im Haushalt des Antragsgegners lebten, wurden sie (noch während des laufenden Beschwerdeverfahrens vor dem Senat) nach einem eigenmächtigen "Besuch" in der Wohnung der Antragstellerin am 3. April 2021 von letzterer nicht freiwillig wieder an den Antragsgegner herausgegeben, so dass am 12. April 2021 ein vom Amtsgericht erlassener entsprechender Herausgabebeschluss durch den Gerichtsvollzieher unter Hinzuziehung der Polizei vollstreckt werden musste; auch hinsichtlich der Einzelheiten wird insofern auf den besagten Senatsbeschluss Bezug genommen.
Ebenfalls noch im laufenden Beschwerdeverfahren wurde M. von der Antragstellerin seit dem 18. Juni 2021 nach einem eigenmächtigen Besuch dort erneut - und bis heute fortdauernd - nicht an den Antragsgegner herausgegeben. Bereits im Rahmen der Anhörung der Beteiligten im seinerzeitigen Beschwerdeverfahren ist die Antragstellerin vom Senat am 22. Juni 2021 noch einmal eindringlich auf die rechtliche Lage und ihre Verpflichtung zur umgehenden Herausgabe M.s an den Antragsgegner hingewiesen worden; ebenso darauf, dass im Fal...