Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur unmittelbaren Anordnung von Ordnungshaft zur Vollstreckung einer Kindesherausgabe
Leitsatz (amtlich)
Kommt ein Elternteil einer vollstreckbaren Verpflichtung zur Herausgabe eines Kindes an den anderen Elternteil nicht nach, kann bei hartnäckiger und nachhaltiger Weigerung unmittelbar auf Ordnungshaft erkannt werden.
Dies gilt umso mehr, wenn der zur Herausgabe berufene Elternteil bereits anlässlich der früheren Anhörung im Sorgerechtsverfahren auf eine solche mögliche Vorgehensweise hingewiesen worden ist.
Die Festsetzung eines Ordnungsmittels erfordert bei Zuwiderhandlungen, die über einen längeren Zeitraum andauern, dass sie sich auf einen bestimmten Zeitraum bezieht, in dem auch die Vollstreckung aus dem Herausgabebeschluss nicht eingestellt gewesen ist und für den ein Ordnungsmittelantrag des Gläubigers vorliegt, zu welchem dem Schuldner rechtliches Gehör gewährt worden ist.
Normenkette
FamFG § 89 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Hannover (Aktenzeichen 618 F 3230/21) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers und unter Zurückweisung der sofortigen Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Ordnungsmittel-Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 20. September 2022 teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:
Wegen des Verstoßes gegen die im Beschluss des Amtsgerichts vom 26. Juli 2021 in Verbindung mit dem Ergänzungsbeschluss vom 9. Dezember 2021 ihr unter Hinweis auf die Folgen einer Zuwiderhandlung aufgegebene Herausgabe der Tochter der Beteiligten M. an den Antragsteller in der Zeit vom 9. Dezember 2021 bis zum 10. Februar 2022 werden gegen die Antragsgegnerin 30 Tage Ordnungshaft angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Die Festsetzung eines Verfahrenswertes ist nicht veranlasst, da sich die Erhebung der Gerichtskosten nach einer Festgebühr bestimmt.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten über die Anordnung von Ordnungsmitteln wegen eines Verstoßes gegen eine gerichtliche Herausgabeanordnung.
Die elterliche Sorge für die beiden minderjährigen Töchter der Beteiligten M. und L., die bereits zuvor durch einstweilige Anordnung allein dem Antragsteller zugewiesen war, ist durch Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 16. Dezember 2020 (mit Ausnahme des Rechts zur Bestimmung des Umgangs) auch in der Hauptsache auf den Antragsteller allein übertragen worden; diese Entscheidung ist nach beiderseitigen Beschwerden der Beteiligten durch Senatsbeschluss vom 14. Juli 2021 (10 UF 245/20 - FamRZ 2021, 611 ff = juris), auf den auch zur weiteren ausführlichen Darstellung des Sachverhalts einschließlich der Vorgeschichte Bezug genommen wird, mit der Maßgabe bestätigt worden, dass die vom Amtsgericht vorgenommene Einschränkung bezüglich des Umgangsbestimmungsrechts entfiel.
Nachdem die Töchter in der Zeit nach der amtsgerichtlichen Hauptsacheentscheidung tatsächlich im Haushalt des Antragstellers lebten, wurden sie (noch während des laufenden Beschwerdeverfahrens vor dem Senat) nach einem eigenmächtigen "Besuch" in der Wohnung der Antragsgegnerin am 3. April 2021 von letzterer nicht freiwillig wieder an den Antragsteller herausgegeben, so dass am 12. April 2021 ein vom Amtsgericht erlassener entsprechender Herausgabebeschluss durch den Gerichtsvollzieher unter Hinzuziehung der Polizei vollstreckt werden musste; auch hinsichtlich der Einzelheiten wird insofern auf den besagten Senatsbeschluss Bezug genommen.
Ebenfalls noch im laufenden Beschwerdeverfahren wurde M. von der Antragsgegnerin seit dem 18. Juni 2021 nach einem eigenmächtigen Besuch dort erneut - und bis heute fortdauernd - nicht an den Antragsteller herausgegeben. Bereits im Rahmen der Anhörung der Beteiligten im seinerzeitigen Beschwerdeverfahren ist die Antragsgegnerin vom Senat am 22. Juni 2021 noch einmal eindringlich auf die rechtliche Lage und ihre Verpflichtung zur umgehenden Herausgabe M.s an den Antragsteller hingewiesen worden; ebenso darauf, dass im Falle sich insofern als notwendig erweisender Ordnungsmittel zur Durchsetzung der Herausgabeverpflichtung unter den Umständen des Streitfalles bereits aufgrund der Vorgeschichte eine Verhängung von Ordnungsgeld nicht mehr in Betracht kommen und die Verhängung von Ordnungshaft gegen die Antragsgegnerin geboten sein dürfte. Sie wurde weiter darauf hingewiesen, dass sie M. nur aufgrund einer entsprechenden Entscheidung ärztlich vorstellen und behandeln lassen, ärztliche Berichte/Atteste erstellen oder diese Dritten eröffnen dürfe sowie auch zu etwaigen Entschuldigung gegenüber der Schule nicht berechtigt sei.
Das Amtsgericht hat auf Antrag des Antragstellers im Verfahren 618 F 3230/21 EAHK mit umfangreichem Beschluss vom 26. Juli 2021 (Bl. I 93 ff. d.A.) die Antragsgegnerin u.a. zur Herausgabe von M. an den Antragsteller verpflichtet und eine Vollstreckung auch unter Anwendung unmittelbaren Zwangs sowie die Durchsuchung und ggf. gewaltsame Öffnung der Wohnung der Antragsgegnerin genehmigt. Dieser - aufgrund e...