Entscheidungsstichwort (Thema)

Gerichtliche Festsetzung der Entschädigung eines Zeugen für Zeitversäumnis, Übernachtungskosten und Taxikosten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Entschädigung für Zeitversäumnis nach § 20 JVEG ist einem Zeugen grundsätzlich auch dann zu gewähren, wenn eine solche nicht ausdrücklich geltend gemacht worden ist, der Zeuge aber allgemein Zeugenentschädigung beantragt hat und aus den von ihm erteilten Auskünften hervorgeht, dass die Voraussetzungen für eine Entschädigung für Zeitversäumnis gegeben sind.

2. Von Zeugen kann, sofern nicht besondere Umstände vorliegen, eine Benutzung regelmäßig verkehrender öffentlicher Verkehrsmittel am Gerichtsort erwartet werden, und zwar auch bei fehlender Ortskenntnis. Daher kann für entstandene Taxikosten regelmäßig nur eine Entschädigung nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 3 JVEG in Höhe von 0,25 € pro Fahrtkilometer gewährt werden.

3. Übernachtungskosten sind zu erstatten, sofern eine auswärtige Übernachtung am Gerichtsort notwendig war. Der Erstattungsanspruch ist nicht davon abhängig, dass der Zeuge im Vorfeld beim Gericht eine Genehmigung für die Übernachtung eingeholt oder die Übernachtung zumindest vorab dem Gericht angezeigt hat.

 

Normenkette

JVEG §§ 4-5, 6 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, S. 3, § 20

 

Tenor

Die Entschädigung des Zeugen M. J. aus Anlass seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung vor dem 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle am 27. Mai 2020 wird auf 231,63 € festgesetzt.

Diese Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I.

Die Kostenbeamtin des 4. Strafsenats - Staatsschutzsenat - hat dem Senat mit Zuschrift vom 23. Juni 2020 einen Antrag des in einer erstinstanzlichen Hauptverhandlung vom Senat am 27. Mai 2020 vernommenen Zeugen M. J. auf Zeugenentschädigung mit der Anregung vorgelegt, die Entschädigung gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG durch Beschluss gerichtlich festzusetzen.

Denn es sei nach erhobenen Einwänden der Vertreterin der Staatskasse gegen die bisherige Praxis der Festsetzung von Zeugenentschädigungen klärungsbedürftig, ob einem Zeugen Entschädigung für Zeitversäumnis nach § 20 JVEG auch dann zu zahlen sei, wenn der Zeuge zwar unter Verwendung des ihm vom Gericht zur Verfügung gestellten und von ihm vollständig ausgefüllten Formblatts pauschal Entschädigung beantragt hat, nicht aber ausdrücklich auch einen Antrag auf Gewährung von Entschädigung für Zeitversäumnis gestellt hat. Ferner bestehe nach erhobenen Einwänden der Vertreterin der Staatskasse Unsicherheit, ob einem Zeugen Übernachtungskosten auch dann zu erstatten sind, wenn dieser im Vorfeld seiner Vernehmung keinen Antrag auf gerichtliche Genehmigung einer Hotelübernachtung am Vernehmungsort gestellt hatte.

II.

Die gerichtliche Festsetzung der Vergütung für den Zeugen M. J. ist veranlasst. Zwar hat die Kostenbeamtin kein eigenes Antragsrecht nach § 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG. Es ist ihr aber unbenommen, zur Klärung einer umstrittenen Rechtsfrage oder - wie hier - eines Disputs mit der Vertreterin der Staatskasse und damit zu ihrer Entlastung eine gerichtliche Festsetzung anzuregen (Binz, in: Binz/Dörndorfer/Zimmermann, GKG/FamGKG/JVEG, 4. Aufl. 2019, § 4 JVEG Rn. 4). Eine solche - in den vorgenannten Fällen regelmäßig sachgerechte - Anregung bewirkt, dass das Gericht zu prüfen hat, ob es (ausnahmsweise) eine Festsetzung der Zeugenvergütung, die grundsätzlich der Kostenbeamtin obliegt, durch das Gericht für angemessen hält.

Hier ist eine gerichtliche Festsetzung angemessen, denn insbesondere die Frage, ob eine Entschädigung für Zeitversäumnis nach § 20 JVEG nur bei einem ausdrücklich auch hierauf gerichteten Antrag des Zeugen gewährt werden darf, ist zwischen den Kostenbeamtinnen der hiesigen Strafsenate und der Vertreterin der Staatskasse umstritten. Während die Kostenbeamtinnen der Strafsenate es als Grundlage für die Gewährung einer Entschädigung für Zeitversäumnis genügen lassen, dass allgemein unter Vorlage des vom Gericht zur Verfügung gestellten und vom Zeugen ausgefüllten Formulars ein Antrag auf Zeugenentschädigung gestellt worden ist, hat die Vertreterin der Staatskasse diese Praxis unter Hinweis darauf moniert, eine Entschädigung für Zeitversäumnis müsse vom berechtigten Zeugen explizit beantragt werden. Die gerichtliche Festsetzung der Zeugenentschädigung dient damit der rechtskonformen und zügigen Entschädigungsfestsetzung im vorliegenden Fall und bei zukünftigen Anträgen auf Zeugenentschädigung in Verfahren der Strafsenate des Oberlandesgerichts Celle.

Da der Zeuge J. in einer erstinstanzlichen strafrechtlichen Hauptverhandlung vor dem 4. Strafsenat - Staatsschutzsenat - des Oberlandesgerichts Celle vernommen wurde, ist dieser gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 JVEG für die Entscheidung zuständig, wobei der Unterzeichner gemäß § 4 Abs. 7 Satz 1 JVEG als Einzelrichter zu befinden hat. Zwar könnte die Regelung des § 4 Abs. 7 Satz 1 JVEG bei einem streng am Wortlaut orientierten Verständnis dahingehend interpretiert werden, dass keine originäre Einzelrichterzuständigkeit g...

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