Leitsatz (amtlich)
›Bei der Bestimmung des Maßstabes der Anrechnung im Ausland verbüßter Haft nach § 51 Abs. 4 StGB kann nicht darauf abgestellt werden, daß der Verurteilte sich strengere Haftbedingungen im Ausland wegen seiner Flucht selbst zuzuschreiben hat.
Der Anrechnungsmaßstab für in Griechenland verbüßte Haft (hier: Vollzugsanstalt Thessaloniki-Diavata im Sommer 1996) beträgt 1:1,5.‹
Gründe
Der Angeklagte ist durch Urteil der 9. großen Strafkammer des Landgerichts Hildesheim vom 23. Februar 1994 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden. Bevor die Strafe vollstreckt werden konnte, floh er nach Griechenland. Dort hat er vom 6. Juni bis 18. September 1996 in Auslieferungshaft in der Haftanstalt in ... gesessen.
Der Verurteilte hat zunächst beantragt, die in Griechenland verbüßte Auslieferungshaft im Verhältnis 4 : 1 auf die verhängte Freiheitsstrafe anzurechnen. Die Staatsanwaltschaft hat jedoch mit der Begründung, der Verurteilte habe sich wegen seiner Flucht die strengen Haftbedingungen in Griechenland selbst zuzuschreiben, den Anrechnungsmaßstab auf 1 : 1 festgesetzt. Hiergegen hat der Verurteilte gerichtliche Entscheidung gemäß § 458 StPO beantragt. Die Strafvollstreckungskammer hat durch den angefochtenen Beschluß die Einwendungen als unbegründet zurückgewiesen. Sie hat darauf abgestellt, daß das Vorbringen des Verurteilten durch den Bericht des Generalkonsulats der Bundesrepublik Deutschland vom 15. Januar 1997 zum Teil nicht bestätigt worden sei und deshalb sich die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Hildesheim im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens halte.
Mit der gegen diese Entscheidung gerichteten sofortigen Beschwerde begehrt der Verurteilte einen für ihn jedenfalls günstigeren Anrechnungsmaßstab als 1 : 1. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
Entgegen der Auffassung der Strafvollstreckungskammer ist die Entscheidung der Staatsanwaltschaft ermessensfehlerhaft. Die Behörde hat für ihre Entscheidung einen Umstand als maßgeblich angesehen, der in die Ermessensausübung nicht einfließen darf. Die Anrechnungsmöglichkeit ausländischer Strafe oder Freiheitsentziehung in einem veränderten Maßstab nach § 51 Abs. 4 StGB ist dem Gericht deshalb gegeben, weil im Ausland im Verhältnis zu Deutschland nicht vergleichbare Haftbedingungen für den Verurteilten berücksichtigt werden sollen (vgl. BGH wistra 1987, 60). Der Umstand, daß der Beschwerdeführer durch seine Flucht nach Griechenland sich selbst in die Gefahr begeben hat, strengeren Haftbedingungen zu unterliegen, ist dagegen für die Entscheidung ohne Bedeutung (vgl. Schönke/Schröder/Stree, StGB, 25. Aufl., § 51 Rdnr. 35). Ansonsten wäre auch die gesetzliche Regelung weitgehend sinnlos, weil ein Angeklagter oder Verurteilter praktisch nur in ausländischer Haft gelangen kann, die auf eine deutsche Strafe anzurechnen ist, wenn er nach der Straftat ins Ausland geflohen ist.
Der Senat bestimmt den Anrechnungsmaßstab für die in Griechenland erlittene Auslieferungshaft derart, daß 1 Tag dieser Haft 1,5 Tagen der verhängten Freiheitsstrafe entspricht. Dabei geht er davon aus, daß die Haftbedingungen in der Haftvollzugsanstalt ... den deutschen Haftbedingungen nicht vergleichbar sind. Diesen Erwägungen legt der Senat das Vorbringen des Verurteilten zugrunde, soweit es durch die Berichte des Generalkonsulats vom 15. Januar und vom 4. Juni 1997 bestätigt wird. Danach waren die Zellen in der genannten Haftanstalt seinerzeit völlig überbelegt. In einer für vier Personen ausgerichteten Zelle waren teilweise fünfzehn Häftlinge untergebracht. In dieser Situation ist es selbstverständlich, daß es zu erheblichen zwischenmenschlichen Konflikten kam, die nach Einschätzung des Senats durch den Umstand, daß viele unterschiedliche Nationalitäten aufeinander trafen, vergrößert wurden. Außerdem hatte die Überbelegung der Zellen zur Folge, daß Tische, Stühle und Schränke aus den Zellen zum Zwecke der Unterbringung zusätzlicher Betten entfernt werden mußten. Die schwierigen hygienischen Verhältnisse für so viele auf einem Raum zusammenlebenden Menschen - der Verurteilte hat nachvollziehbar geschildert, daß für eine Zelle nur eine Stehtoilette zur Verfügung stand - wurden noch dadurch verschlimmert, daß wegen der im Sommer herrschenden Wasserversorgungsprobleme der Stadt das Wasser in der Haftanstalt teilweise tageweise ganz ausgefallen ist, teilweise rationiert werden mußte und nur für einige Stunden am Tag zur Verfügung stand.
Den Anrechnungsmaßstab konnte dagegen nicht beeinflussen, daß pro Zelle nur ein Fernsehgerät zur Verfügung stand. Auch der Umstand, daß viele verschiedensprachige Menschen auf dieses Gerät angewiesen waren, wertet der Senat nicht als den Haftbedingungen in Deutschland unvergleichbar. Ebenso kann sich die veränderte Ernährungssituation in der Haftanstalt in ... nicht zugunsten des Verurteilten auswirken.. Soweit er vorträgt, das Essen sei unzureichend gewesen und ihm sei kein Besteck bzw. Geschirr beim Verzehr zur Verfügung gestellt wo...