Leitsatz (amtlich)

Für den Antrag eines Rechtsanwalts nach § 11 Abs. 1 Satz 1 RVG auf Festsetzung der Vergütung ist sachlich das Vollstreckungsgericht zuständig, soweit der Rechtsanwalt die in der Zwangsvollstreckung bei ihm entstandene Vergütung gegenüber dem eigenen Auftraggeber festsetzen lassen will (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 15.2.2005 - X ARZ 409/04).

Örtlich zuständig ist insoweit das Amtsgericht, in dessen Bezirk die letzte Vollstreckungshandlung vorgenommen worden ist (Klarstellung zu bzw. Aufgabe von Senat, Beschluss vom 1.10.2003 - 4 AR 85/03, nicht veröffentlicht).

 

Normenkette

ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6; ZPO § 281 Abs. 1 S. 1; ZPO § 281 Abs. 2 S. 4; RVG § 11 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Stralsund (Aktenzeichen 82 M 724/15)

AG Hannover (Aktenzeichen 712 M 125297/15)

 

Tenor

Das Amtsgericht Stralsund ist zuständig.

 

Gründe

I. Der Antragsteller, ein Rechtsanwalt, hat vor dem Amtsgericht Hannover einen Antrag auf Festsetzung der Vergütung gem. § 11 RVG gestellt. Dem liegt zugrunde, dass er für seinen Auftraggeber, den Antragsgegner, im Rahmen eines Zwangsvollstreckungsverfahrens tätig gewesen ist, das vor dem AG Hannover stattgefunden hat und in dem der Antragsgegner der Schuldner gewesen ist. Das Amtsgericht Hannover hat den Antragsteller mit Verfügung vom 13.3.2015 darauf hingewiesen, dass die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Vollstreckungsgerichts nicht gegeben sei. Nach der Rechtsprechung des Amtsgerichts Hannover wie auch der des Oberlandesgerichts Celle sei für die Festsetzung nach § 11 RVG gem. § 764 Abs. 2 ZPO dasjenige Vollstreckungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk später die Zwangsvollstreckung stattfinden solle. Nach Anhörung des Antragstellers sowie des - im Gerichtsbezirk des Amtsgerichts Stralsund wohnhaften - Antragsgegners hat das Amtsgericht Hannover sich sodann mit Beschluss vom 27.4.2015 für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren an das Amtsgericht Stralsund - Vollstreckungsgericht - verwiesen. Nach Anhörung des Antragstellers sowie des Antragsgegners hat das Amtsgericht Stralsund sich mit Beschluss vom 7.8.2015 seinerseits für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren zur Zuständigkeitsbestimmung an das Oberlandesgericht Celle abgegeben. Zur Begründung hat das Amtsgericht Stralsund in diesem Beschluss ausgeführt, dass das Vollstreckungsverfahren vor dem Amtsgericht Hannover stattgefunden habe und aufgrund der sich hieraus ergebenden Sachnähe auch nur dieses Gericht über den streitgegenständlichen Antrag des Antragstellers entscheiden könne.

II. Das Amtsgericht Stralsund war gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO als zuständiges Gericht zu bestimmen. Der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Hannover vom 27.4.2015 ist für das Amtsgericht Stralsund nach § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO bindend. Zwar ist - mindestens - die rechtliche Argumentation des Amtsgerichts Hannover in seinem Verweisungsbeschluss nicht richtig. Unabhängig davon, ob nicht von Rechts wegen eine örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Hannover oder ggf. eines dritten Gerichts gegeben gewesen wäre, ist der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Hannover für das Amtsgericht Stralsund aber bindend, da er nicht willkürlich im Sinne der diesbezüglichen Rechtsprechung ist.

1. Grundsätzlich sind Verweisungsbeschlüsse i.S.v. § 281 Abs. 1 Satz 1 ZPO gem. § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO für das Gericht, an das verwiesen wird, bindend. Die Bindungswirkung entfällt nur dann, wenn der Verweisungsbeschluss schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen anzusehen ist, etwa, weil er auf einer Verletzung rechtlichen Gehörs beruht, nicht durch den gesetzlichen Richter erlassen wurde oder jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als willkürlich betrachtet werden muss. Hierfür genügt nicht, dass der Beschluss inhaltlich unrichtig oder fehlerhaft ist. Willkür liegt nur vor, wenn dem Verweisungsbeschluss jede rechtliche Grundlage fehlt und er bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (st. Rspr., vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 19.2.2013 - X ARZ 507/12, juris Rn. 7; BGH, Beschluss vom 17.5.2011 - X ARZ 109/11, juris Rn. 9; BGH, Beschluss vom 9.7.2002 - X ARZ 110/02, juris Rn. 7).

2. Gemessen an diesen Grundsätzen kommt dem Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Hannover vom 27.4.2015 eine Bindungswirkung zu.

a) Allerdings ist - mindestens - die rechtliche Argumentation in dem Verweisungsbeschluss vom 27.4.2015 nicht richtig.

aa) Zutreffend ist zunächst die Ausgangsüberlegung des Amtsgerichts Hannover. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 RVG wird die Festsetzung der Vergütung durch das Gericht des ersten Rechtszugs festgesetzt. Soweit es - wie vorliegend - darum geht, dass der Rechtsanwalt die in der Zwangsvollstreckung bei ihm entstandene Vergütung gegenüber dem eigenen Auftraggeber festsetzen lassen will, ist für die Festsetzung das Vollstreckungsgericht sachlich zuständig (vgl. BGH, Beschluss vom 15.2.2005 - X ARZ 409/04, juris Rn. 7).

b) Nich...

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