Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum Verhältnis von Anordnungs- und Hauptsacheverfahren

 

Verfahrensgang

AG Hildesheim (Beschluss vom 17.08.2010; Aktenzeichen 38 F 38274/10)

 

Tenor

I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschl. des AGs - Familiengericht - Hildesheim vom 17.8.2010 wird zurückgewiesen.

II. Diese Entsch. ergeht gerichtsgebührenfrei.

Der Antragsteller hat der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.500 EUR festgesetzt.

IV. Der Antragsgegnerin wird ratenlose Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von RA ..., für das Beschwerdeverfahren bewilligt.

 

Gründe

1. Die Eltern streiten im vorliegenden Verfahren erneut um die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für ihre gemeinsame Tochter A. S.

Das AG Hildesheim hatte mit Beschl. vom 31.7.2009 der Antragsgegnerin, die russische Staatsbürgerin ist, die elterliche Sorge übertragen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers hat der Senat mit Beschl. vom 2.3.2010 - 15 UF 186/09 - mit der Begr. zurückgewiesen, dass

auf Seiten der Antragsgegnerin die besseren Betreuungsmöglichkeiten bestanden hatten und ihre (damals geplante) Rückkehr nach Moskau einer solchen Sorgerechtsregelung nicht entgegen stehen, auch wenn dadurch das Umgangsrechts des Antragstellers beeinträchtigt wird.

Die Antragsgegnerin ist im August 2009 mit der gemeinsamen Tochter nach Moskau gezogen. Sie kehrte am 27.1.2010 nach Hildesheim zurück. Vom 16.4. bis zum 30.5.2010 betreute der Antragsteller A. S., weil die Antragsgegnerin zur Erteilung von Visa für Deutschland nach Moskau geflogen war.

Seinen Sorgerechtsantrag im einstweiligen Anordnungsverfahren begründete der Antragsteller mit der von der Antragsgegnerin am 23.6.2010 geäußerten Absicht, wieder nach Moskau zurück kehren zu wollen. Im angefochtenen Beschl. hat das AG den Antrag unter Bezugnahme auf den vorgenannten Senatsbeschluss zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, mit der er geltend macht, dass A. in Moskau in einer Kinderkrippe bis zum späten Nachmittag fremdbetreut werde, Verlustängste zeige und die Betreuung von A. durch ihn selbst bis Ende Mai 2010 zu berücksichtigen sei.

2. Die gem. §§ 57 Satz 2 Nr. 1, 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Das AG hat im angefochtenen Beschl. nach Anhörung beider Eltern den Erl. einer auf das Aufenthaltsbestimmungsrecht bezogenen einstweiligen Anordnung zu Recht zurück gewiesen.

a) Der Antragsteller kann sein Begehren, ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die gemeinsame Tochter zu übertragen, nicht im einstweiligen Anordnungsverfahren verfolgen, weil dem die bestehende Hauptsacheentscheidung entgegen steht.

Eine Abänderung der amtsgerichtlichen (Hauptsache-)Entscheidung ist gem. § 166 Abs. 1 FamFG nur nach Maßgabe des § 1696 BGB möglich, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist. Da im einstweiligen Anordnungsverfahren aufgrund glaubhaft gemachten Vorbringens und eingeschränkter Ermittlungsmöglichkeiten nur eine vorläufige Regelung getroffen werden kann, folgt aus dem Verhältnis zur einer (entsprechenden) Hauptsacheentscheidung, dass eine solche nicht Wege des einstweiligen Rechtsschutzes geändert werden kann. Vielmehr ist dies dem Abänderungsverfahren nach § 166 Abs. 1 FamFG als Hauptsacheverfahren vorbehalten (Schulte-Bunert/Weinreich/Schwonberg, FamFG, 2. Aufl., Rn. 7, 11 zu § 51 FamFG; Gießler/Soyka, Vorläufiger Rechtsschutz in Familiensachen, 5. Aufl., Rn. 90; OLG Karlsruhe FamRZ 2004, 1044 [zu dem bis zum 1.9.2009 geltenden Recht]). Daher kommt eine Abänderung einer bestehenden Sorgerechtsregelung nur in Betracht, wenn deren Geltungsdauer durch ein anhängiges und auf Abänderung gerichtetes Hauptsacheverfahren infrage gestellt ist.

Das Sorgerecht für A. ist durch den Beschl. des AGs Hildesheim vom 31.7.2009 - 38 F 38161/09 - sowie den Senatsbeschluss vom 2.3.2010 formell rkr. dahingehend geregelt, dass der Antragsgegnerin die elterliche Sorge allein zusteht. Ein Abänderungsverfahren in der Hauptsache gem. § 166 Abs. 1 FamFG hat der Antragsteller nicht eingeleitet. Daher kann im einstweiligen Anordnungsverfahren die bestehende Hauptsacheregelung keiner Korrektur unterzogen werden.

b) Darüber hinaus ist der Beschwerde des Antragstellers der Erfolg aus einem weiteren Grund versagt.

Nach § 49 Abs. 1 und Abs. 2 FamFG kann das Gericht, sofern ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht, vorläufige Maßnahmen treffen bzw. einen bestehenden Zustand vorläufig regeln. Auch wenn das Aufenthaltsbestimmungsrecht (§ 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB) grds. einer Regelung im einstweiligen Anordnungsverfahren zugängig ist (vgl. Dose, Einstweiliger Rechtsschutz in Familiensachen, 3. Aufl., Rn. 336; Schulte-Bunert/Weinreich/Schwonberg, FamFG, 2. Aufl., Rn. 26), können weitreichende Fragestellungen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nicht geklärt werden. Dies gilt etwa in Fällen ...

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