Leitsatz (amtlich)
Zur Feststellung einer Kindesmisshandlung in Form eines sog. Münchhausenbyproxy-Syndroms.
Normenkette
BGB § 1666
Verfahrensgang
AG Hannover (Beschluss vom 03.08.2004; Aktenzeichen 617 F 1021/04) |
Tenor
Die Beschwerden der Kindeseltern gegen den Beschluss des AG - FamG - Hannover vom 3.8.2004 werden zurückgewiesen.
Gerichtskosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben.
Die Beschwerdeführer haben der Beschwerdegegnerin ihre durch das Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Kosten zu erstatten.
Gründe
I.1. Die Beschwerdeführer sind die leiblichen Eltern des am ... 2003 scheinehelich geborenen Kindes J.W. Die am ... 1963 geborene Kindesmutter lebte seit etwa Oktober 2001 von ihrem früheren Ehemann, Herrn E.W., getrennt. Dieser hat die Ehelichkeit von J. angefochten. Durch Urteil des AG - FamG - Hannover vom 5.4.2005 ist festgestellt worden, dass Herr W. nicht der Vater von J. ist. Der am ... 1967 geborene Beteiligte zu 2), H. B., hat die Vaterschaft zu J. zur Niederschrift des AG - FamG - Hannover in der mündlichen Verhandlung vom 29.3.2005 anerkannt.
Die Kindesmutter wuchs zusammen mit einem drei Jahre jüngeren Bruder bei ihren Eltern in G., einem Ortsteil von L., auf. 1980 schloss sie den Schulbesuch mit der mittleren Reife ab. Anschließend absolvierte sie eine 2-jährige Ausbildung zur pharmazeutischkaufmännischen Assistentin und arbeitete nach dem erfolgreichen Abschluss bis Sommer 1983 in einer Apotheke in H. Danach begann sie - ihrem Wunsch entsprechend - mit einer viersemestrigen Ausbildung zur pharmazeutischtechnischen Assistentin in einer PTASchule in H. Während dieser Ausbildung wohnte sie weiter bei ihren Eltern. Ab Sommer 1985 wiederholte sie das dritte und vierte Ausbildungssemester. Im September 1985 unterzog sie sich einer Blinddarmoperation. Da sich der Heilungsprozess verzögerte, wurde im November 1985 eine Nachoperation durchgeführt. Dadurch kam es zu erheblichen Versäumnissen in der Schule. Im Sommer 1986 brach die Kindesmutter diese Ausbildung ab.
Im Spätsommer 1985 lernte die Kindesmutter Herrn W., der damals Zeitsoldat war, kennen und zog mit diesem nach der Verlobung im Mai 1986 im Nachbarort ihrer Eltern in eine 2 ZimmerWohnung. In der Folgezeit arbeitete sie aushilfsweise in einer Bank und in einem Kosmetikstudio. Im Frühjahr 1987 zog sie sich beim Sturz auf einer Treppe eine Verletzung am linken Sprunggelenk zu, die längere Zeit behandelt und Ende 1987 operiert wurde. Im Krankenhaus ging die Narbe nochmals auf, so dass eine Sekundärnaht nötig wurde. Zu den Untersuchungen wurde sie immer von ihrer Mutter begleitet. Im Juni 1988 heiratete sie Herrn W. und zog mit diesem in das 80 km entfernte L., wohin er versetzt worden war. Dort beaufsichtigte sie ehrenamtlich Kinder, kaufte für ältere Menschen ein und half auch einmal bei einer Inventur. Nach Beendigung der Wehrdienstzeit von Herrn W. zogen beide Eheleute 1991 zurück nach G. Herr W. hatte eine Stelle als Kieswerker angenommen, bei der er gut verdiente, aber häufig auch an Samstagen arbeiten musste.
Die Eheleute planten nun Nachwuchs, der sich jedoch nicht einstellte. Auch Hormonbehandlungen und Versuche künstlicher Befruchtung blieben erfolglos. Eine InvitroFertilisation wurde aus finanziellen Gründen zurückgestellt, zumal die Eheleute in der zweiten Hälfte der 90-er Jahre mit dem Bau eines Hauses begannen, in das sie im November 1999 einzogen. Eine feste Erwerbstätigkeit nahm die Kindesmutter nicht auf. Da ihr die Ärzte empfohlen hatten, mit Rücksicht auf den Kinderwunsch Ruhe zu halten, ging sie nur gelegentlich in geringfügigem Umfang einer Arbeit nach. Im Jahre 1996 wurde sie von ihrer Hausärztin in L. im Rahmen einer "klientenzentrierten Gesprächstherapie" behandelt. Damals hatte die Kindesmutter ein Alkoholproblem, und die behandelnde Ärztin empfahl eine Entzugstherapie, die die Mutter aber "wegen der Familie" ablehnte. Als Hintergrund vermutete die Ärztin, dass die Kindesmutter sich von ihren Eltern ggü. ihrem jüngeren Bruder zurückgesetzt fühlte und sich sorgte, dieser werde vor ihr ein Kind bekommen.
Ab Juli 2001 erhielt die Kindesmutter nach Absolvierung einer Schulung eine ganztägige Stellung als Flugsicherheitsassistentin im Schichtdienst am Flughafen in H. Dort lernte sie im August 2001 Herrn B. kennen, der für den Bundesgrenzschutz tätig war. Zu diesem nahm sie eine Beziehung auf, die das Scheitern ihrer Ehe zur Folge hatte. Im Oktober 2001 erkrankte sie an einer Hüftentzündung, infolge der sie teilweise nur noch mit Gehstützen zur Arbeit kommen konnte. Während eines Wochenendausflugs mit Herrn B. an die See zog sie sich im November 2001 einen Oberschenkelhalsbruch zu, der sogleich operativ behandelt wurde. In der Folgezeit klagte die Kindesmutter trotz objektiv guten Heilungsverlaufs noch längere Zeit über Beschwerden. Nach der Krankenhausentlassung zog sie zu Herrn B. in dessen Wohnung. Angeblich wegen ihrer Fehlzeiten wurde ihr Arbeitsvertrag beim Flughafen H. nicht verlängert, so dass sie ab A...