Entscheidungsstichwort (Thema)
Im Rahmen von Art. 15 Abs. 1 EGBGB ist das aktuell geltende ausländische Recht anzuwenden. Ein Anspruch auf künftigen Zugewinnausgleich kann durch Arrest gesichert werden. Zu den Anforderungen an die Glaubhaftmachung
Leitsatz (amtlich)
1. Ist nach Art. 15 Abs. 1, 14 Abs. 1 EGBGB ausländisches Güterrecht anzuwenden, kommt es auf das aktuell geltende Recht an.
2. Arrest kann nicht nur für den vorzeitigen Zugewinnausgleich nach § 1385 BGB angeordnet werden, sondern nach Zustellung des Scheidungsantrages auch den Anspruch auf künftigen Zugewinnausgleich sichern.
3. Zu den Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Arrestanspruches und des Arrestgrundes.
4. Hatte das AG einen ohne mündliche Verhandlung ergangenen Arrest auf den Widerspruch des Schuldners aufgehoben, hat das Beschwerdegericht den Arrest neu zu erlassen. Dieser bedarf der erneuten Vollziehung.
Normenkette
EGBGB Art. 14 Abs. 1, Art. 15 Abs. 1; FamFG § 119 Abs. 2; ZPO § 916 Abs. 1, § 917 Abs. 1, 2 S. 1, § 920 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Gifhorn (Beschluss vom 07.08.2013; Aktenzeichen 16 F 530/13) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Gifhorn vom 7.8.2013 - 16 F 530/13 - aufgehoben.
In Höhe eines Betrages von 68.853,54 wird der dingliche Arrest in das Vermögen des Antragsgegners angeordnet. Durch die Hinterlegung eines Betrages von 68.853,54 EUR wird die Vollziehung des Arrestes gehemmt und der Antragsgegner berechtigt, die Aufhebung des Arrestes zu beantragen.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
III. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 35.000 EUR festgesetzt.
V. Der Antragstellerin wird Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren bewilligt. Ihr wird Rechtsanwältin ... in G. zur Vertretung beigeordnet.
Gründe
I. Die Beteiligten haben am 18.1.1986 in der damaligen UdSSR, in der Ortschaft K. in der M. S., der heutigen Republik M., geheiratet. Sie waren damals russische Staatsangehörige. Zwischenzeitlich sind beide deutsche Staatsangehörige.
Die Beteiligten leben seit ca. 2010 getrennt. Das Scheidungsverfahren ist seit dem 5.4.2012 rechtshängig. Der Antragsgegner hat ein in seinem Alleineigentum stehendes, mit einem Doppelhaus bebautes Grundstück in S. mit notariellem Vertrag vom 25.4.2013 veräußert. Er ist außerdem Eigentümer eines Einfamilien-/Bootshauses am S. in L. (Russische Föderation) und eines Sportbootes.
Die Antragstellerin behauptet, der Antragsgegner habe seinen Lebensmittelpunkt nach Russland verlegt, habe dort eine Freundin und einen Sohn. Sie errechnet sich einen Zugewinnausgleichsanspruch von 118.855,79 EUR. Wegen der weiteren Einzelheiten der Berechnung wird auf die Beschwerdebegründung vom 18.10.2013 Bezug genommen (Bl. 118 ff.).
Nachdem das AG zunächst ohne Anhörung des Antragsgegners mit Beschluss vom 15.5.2013 den dinglichen Arrest wegen eines Betrages von 68.853,54 EUR angeordnet hatte, hat es nach dessen Widerspruch den Antrag der Antragstellerin in dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen. Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren erstinstanzlichen Antrag weiter.
Die Antragstellerin hat vor dem Kreisgericht T. in der Region K. (Russische Föderation) einen Antrag auf Zugewinnausgleich gestellt und beantragt, ihr die Hälfte an dem Eigentum an dem (näher bezeichneten) Bootshaus zu übertragen. Das Verfahren endete mit einer Abweisung der Anträge der Antragstellerin, nachdem im Termin vom 26.12.2013 niemand erschienen war.
II. Die Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.
1. Es ist deutsches Recht anzuwenden. Der Senat hat von Amts wegen zu prüfen, welches materielle Recht anzuwenden ist, wenn die Anwendung ausländischen Rechts in Betracht kommt (BGH NJW 1998, 1321).
Gemäß Art. 15 Abs. 1 EGBGB unterliegen die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe dem bei der Eheschließung für die allgemeinen Wirkungen der Ehe maßgebenden Recht. Nach Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB ist für die allgemeinen Wirkungen der Ehe zunächst auf das Recht des Staates abzustellen, dem beide Ehegatten angehörten. Beide Ehegatten waren zum Zeitpunkt der Eheschließung russische Staatsangehörige, so dass sich die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe nach russischem Recht richten. Da ausschließlich auf den Zeitpunkt der Eheschließung abzustellen ist ("Unwandelbarkeit"), ist es unerheblich, dass die Beteiligten inzwischen beide die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen.
In der Rechtsprechung ist umstritten, auf welchen Rechtsstand bei dem nach Art. 15 Abs. 1 EGBGB anzuwendenden ausländischen Recht abzustellen ist. Nach der sog. Versteinerungstheorie werden Rechtsänderungen des fremden Rechts von der Verweisung nicht erfasst, so dass es ausschließlich auf das zum Zeitpunkt der Eheschließung geltende ausländische Recht ankommt (BGH NJW 1963, 1975, 1976 f.; OLG Nürnberg FamRZ 2011, 1509, 1510). Wesentliches Argument hierfür war der Schutz vor politisch motivierten Rechtsänderungen, die häufig der Fluchtgrund waren (BGH, a.a...