Entscheidungsstichwort (Thema)
Elternunterhalt: Heimauswahl bei psychischer Erkrankung der sozialhilfebedürftigen Unterhaltsberechtigten
Leitsatz (amtlich)
1. Die Unterbringung der sozialhilfebedürftigen Unterhaltsberechtigten in einem psychiatrischen Fachpflegeheim aus dem obersten Preissegment muss der Unterhaltspflichtige nicht bereits deswegen hinnehmen, weil die Unterhaltsberechtigte an einer Psychose erkrankt ist.
2. Insoweit genügt der Unterhaltspflichtige seiner Obliegenheit zum substantiierten Bestreiten dadurch, dass er konkrete, kostengünstigere Heime mit einer gerontopsychiatrischen Abteilung und die dafür anfallenden Kosten benennt oder darlegt, dass ein konkretes, kostengünstigeres einfaches Pflegeheim die Unterhaltsberechtigte trotz ihres Krankheitsbildes aufgenommen hätte.
Normenkette
BGB §§ 1602, 1610; SGB 12 § 94
Verfahrensgang
AG Hannover (Entscheidung vom 19.06.2017; Aktenzeichen 604 F 6654/15) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der am 19. Juni 2017 verkündete Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover geändert. Die Anträge der Antragstellerin werden abgewiesen.
II. Die erstinstanzlichen Kosten werden der Antragstellerin auferlegt. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.
III. Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird festgesetzt auf 15.522 EUR.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten um Elternunterhalt.
Die am ...1942 geborene Mutter des Antragsgegners, Frau M. O., steht seit mehreren Jahren unter Betreuung und lebt in dem Pflegeheim Dr. W., ... Bis Dezember 2016 hatte sie die Pflegestufe 1, seit Januar 2017 unterliegt sie dem Pflegegrad 3. Sie bezieht eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL). Die Renteneinkünfte reichen nicht aus, um die Kosten der Heimunterbringung zu decken. Insoweit erbringt die Antragstellerin ergänzende Leistungen der Sozialhilfe in Form der Hilfe zur Pflege. Sie nimmt den am ...1972 geborenen Antragsgegner aus übergegangenem Recht gem. § 94 SBG XII für die Zeit ab Mai 2012 auf Elternunterhalt in Anspruch.
Der Antragsgegner ist selbständig im EDV-Bereich tätig. Er hat eine drei Jahre ältere Schwester. Diese ist nicht leistungsfähig.
Der Antragsgegner und seine Schwester wuchsen im elterlichen Haushalt auf. Die Mutter war Grundschullehrerin, der Vater Arzt. Als der Antragsgegner sieben Jahre alt war, erkrankte die Mutter an einer seelischen Störung. Es begannen schwere Streitereien der Eltern, wobei es auch zu häuslicher Gewalt kam. Der Vater versuchte zunächst, die Krankheit der Mutter selbst zu therapieren und verabreichte ihr abends Spritzen. Von Anfang November 1988 bis Mitte Juli 1989 befand sich die Mutter mit der Diagnose "Paranoid-halluzinatorische Psychose" in stationärer Behandlung in den W. Kliniken. Ihr wurde das Neuroleptikum Leponex (Wirkstoff Clozapin) verordnet. Dieses Medikament nimmt sie bis heute.
Durch am 19. Juni 2017 verkündeten Beschluss hat das Amtsgericht den Antragsgegner entsprechend dem Antrag der Antragstellerin verpflichtet, Unterhalt für seine Mutter wie folgt zu zahlen:
1. für die Zeit vom 1. Mai 2012 bis 30. November 2015 rückständigen Unterhalt in Höhe von 13.470 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 10.482 EUR seit dem 23. Juni 2014 sowie aus weiteren 2.988 EUR seit Rechtshängigkeit,
2. ab dem 1. Dezember 2015 monatlich im Voraus einen laufenden Unterhalt in Höhe von 171 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem Zweiten eines jeden Monats.
Auf die Gründe der amtsgerichtlichen Entscheidung wird Bezug genommen.
Gegen diesen Beschluss hat der Antragsgegner form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt. Er beruft sich wegen seiner durch die psychische Erkrankung seiner Mutter belasteten Kindheit auf Verwirkung. Er behauptet, nicht leistungsfähig zu sein und ist der Auffassung, das Pflegeheim, in welchem seine Mutter untergebracht sei, sei viel zu teuer. Er beantragt,
unter Abänderung des am 19. Juni 2017 verkündeten Beschlusses des Amtsgerichts Hannover die Anträge der Antragstellerin abzuweisen.
Die Antragstellerin verteidigt die angefochtene Entscheidung und beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, auf das erstinstanzliche Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13. Juni 2016 und 29. Mai 2017 sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 27. März 2018.
II. Die Beschwerde des Antragsgegners hat Erfolg.
Von einem die Sozialhilfebedürftigkeit begründenden Unterhaltsbedarf seiner Mutter kann nicht ausgegangen werden. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass die Mutter nicht in einem günstigeren Heim hätte untergebracht werden können, dessen Kosten sich vollumfänglich mit den der Mutter zustehenden Pflegeversicherungs- und Rentenleistungen finanzieren lassen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesg...