Leitsatz (amtlich)
Der Schmerzensgeldsanspruch wegen rechtswidrig angeordneter Abschiebehaft kann sich der Höhe nach an § 7 Abs. 3 StrEG orientieren.
Verfahrensgang
LG Hannover (Beschluss vom 25.08.2006; Aktenzeichen 14 O 49/06) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Einzelrichters der 14. Zivilkammer des LG Hannover vom 25.8.2006 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Der Antragsteller ist Angehöriger des Staates S. Im Juni 1998 reiste er in die Bundesrepublik Deutschland ein. Nach Ablehnung seines Asylantrags tauchte er unter. Im Februar 1999 wurde er in G. festgenommen und im Juni 2002 nach Deutschland überstellt. Unmittelbar nach seiner Ankunft am 10.6.2002 wurde er am Flughafen festgenommen und am 11.6.2002 dem Haftrichter vorgeführt, der auf Antrag der Stadt W. Haftbeschluss erließ. Am 5.9.2002 wurde er aus der Haft entlassen.
Mit Beschluss vom 11.2.2004 stellte der 17. Zivilsenat des OLG Celle fest, dass die Freiheitsentziehung des Betroffenen in der Zeit von seiner Festnahme am 10. Juni bis zum Erlass des Haftbeschlusses am 11.6.2002 rechtswidrig war (17 W 109/03). Im Verfahren 17 W 106/03 stellte es mit Beschluss vom 11.2.2004 fest, dass auch die aufgrund des Haftbeschlusses vom 11.6.2002 vollzogene Haft rechtswidrig gewesen sei, weil der Antragsteller haftunfähig gewesen sei.
Der Antragsteller hat gegen die Stadt W. als antragstellende Ausländerbehörde einen Ausgleich für den entstandenen immateriellen Schaden für die Zeit vom 10.6.2002 bis zu 5.9.2002 geltend gemacht. Das OLG Braunschweig bewilligte dem Antragsteller mit Beschluss vom 6.12.2005 (3 W 59/05) Prozesskostenhilfe, soweit er ein Schmerzensgeld von der Ausländerbehörde für die Freiheitsentziehung bis zur richterlichen Haftanordnung verlangt hatte, und zwar i.H.v. 60 EUR, welche die Stadt W. am 9.2.2006 zahlte (Bl. 59).
Im vorliegenden Verfahren verlangt der Antragsteller wegen der rechtswidrigen richterlichen Haftermächtigung einen angemessenen Ausgleich für den Freiheitsentzug vom 11.6.2002 bis zum 5.9.2002 (87 Tage). Dabei hält er ein Schmerzensgeld von 200 EUR je Tag für angemessen (Bl. 18).
Der Antragsgegner hat den Anspruch dem Grunde nach anerkannt, sich bereit erklärt, an den Antragsteller eine Entschädigung von 14,63 EUR pro Hafttag zu zahlen (Bl. 55) und diesen Betrag (1.272,81 EUR) an ihn schließlich gezahlt (Bl. 97).
Das LG hat einen weitergehenden Entschädigungsanspruch verneint und den Prozesskotenhilfenantrag zurückgewiesen.
II. Die sofortige Beschwerde ist unbegründet. Das LG hat dem Antragsteller die beantragte Prozesskostenhilfe im Ergebnis zu recht nicht bewilligt. Die beabsichtigte Klage hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).
Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH (zuletzt BGH, Urt. v. 18.5.2006 - III ZR 183/05, BGHReport 2006, 1019 = MDR 2006, 1284 = DVBl. 2006, 1186) hat derjenige, der aufgrund eines rechtswidrigen richterlichen Haftbeschlusses in Abschiebungshaft genommen worden ist, einen verschuldensunabhängigen Anspruch auf Ersatz des erlittenen immateriellen Schadens unmittelbar aus Art. 5 Abs. 5 EMRK. Der Haftbeschluss war nach der Entscheidung des 17. Zivilsenats des OLG Celle vom 11.2.2004 rechtswidrig. Diese - der materiellen Rechtskraft fähige (vgl. Senatsbeschluss vom 29.10.2004 in NVwZ-RR 2005, 181 zum Recht der Gefahrenabwehr) - Entscheidung bindet die Parteien dieses Verfahrens und damit das erkennende Gericht. All das zieht der Antragsgegner, der die geltend gemachte Forderung für den vollen Zeitraum dem Grunde nach ausdrücklich anerkannt und darauf 1.272, 81 EUR gezahlt hat, nicht in Zweifel.
Streit besteht zwischen den Parteien lediglich darüber, wie hoch ein angemessener Ausgleich zu sein hat, ob an den Antragsteller 200 EUR pro Tag als angemessener Ausgleich zu zahlen sind oder lediglich die bereits gezahlten 14,63 EUR pro Hafttag.
Mit der Zahlung ist der immaterielle Schaden des Antragstellers ausgeglichen. Ein weitergehender Anspruch besteht nicht.
Insbesondere bestehen entgegen der Auffassung des Antragstellers auch keine Bedenken, sich bei der Bemessung des angemessenen Ausgleichs für eine Freiheitsentziehung über § 7 Abs. 3 StrEG zu nähern. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass es sich bei der Entschädigung nach § 7 StrEG um einen besonders ausgestalteten Aufopferungsanspruch für rechtmäßige Freiheitsentziehungen handelt, was zutreffend ist, der Schadensersatzanspruch nach Art. 5 Abs. 5 EMRK hingegen an eine rechtwidrige Freiheitsentziehung anknüpfe, die höher entschädigt werden müsse.
Auch das Strafrechtsentschädigungsgesetz geht nämlich davon aus, dass eine vollzogene Strafverfolgungsmaßnahme im Ergebnis nicht gerechtfertigt war, mag die Anordnung zunächst auch rechtmäßig gewesen sein (BGH v. 21.1.1988 - III ZR 157/86, BGHZ 103, 113 = MDR 1988, 385; BGH v. 23.8.1989 - 1 BJs 72/87-4 StB 29/89, BGHSt 36, 236 = MDR 1989, 1117) und der Betroffene letztlich Opfer der im Allgemeininteresse liegenden Strafverfolgung geworden ist. Im Ergebnis macht es keinen entscheidende...