Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirkstoffgehalt. Kleinstmenge. Zur Frage der Erforderlichkeit von Feststellungen zum Wirkstoffgehalt des verfahrensgegenständlichen Betäubungsmittels bei Kleinstmengen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Von genaueren Feststellungen zum Wirkstoffgehalt des verfahrensgegenständlichen Betäubungsmittels kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn es ausgeschlossen ist, dass eine genaue Angabe des Wirkstoffgehaltes das Strafmaß zu Gunsten des Angeklagten beeinflussen kann.

2. "Kleinstmengen" sind bereits gegeben, wenn das Erreichen des Grenzwerts der nicht geringen Menge rechnerisch von vornherein ausgeschlossen ist (Anschluss an BGH, Beschluss vom 31. Mai 2022 - 6 StR 117/22 -, juris).

 

Normenkette

BtMG § 29 Abs. 1, 5

 

Verfahrensgang

AG Hannover (Entscheidung vom 29.11.2023; Aktenzeichen 239 Ds 106/23)

 

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 29. November 2023 wird als unbegründet verworfen.

Die Angeklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Hannover hat den Angeklagten durch Urteil vom 29. November 2023 wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 35 € verurteilt, eine Ratenzahlungsbewilligung ausgesprochen und die Einziehung des Wertes des Taterlangten in Höhe eines Geldbetrages von 220 € angeordnet.

Nach den Feststellungen zur Sache verkaufte der Angeklagte am 31. März 2023 für insgesamt 220 € gewinnbringend 0,4g Kokain an den gesondert Verfolgten B. und weitere 3,16g Kokain an den gesondert Verfolgten G.

Zur Beweiswürdigung hat das Amtsgericht ausgeführt, Grundlage der getroffenen Feststellungen seien das glaubhafte Geständnis des Angeklagten sowie das in der Hauptverhandlung verlesene Sicherstellungsprotokoll. Zudem habe ein ESA-Schnelltest des sichergestellten Rauschgifts ein positives Ergebnis bzgl. Kokain ergeben, wobei sich eine schlagartig intensive blaue Verfärbung gezeigt habe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Sprungrevision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Er macht insbesondere geltend, die Beweiswürdigung erweise sich angesichts der fehlenden Überprüfung des Geständnisses als lückenhaft; zudem sei der Wirkstoffgehalt des Kokains nicht festgestellt worden, so dass die Strafzumessung des angefochtenen Urteils keinen Bestand haben könne.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision gem. § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die zulässig erhobene Revision hat keinen Erfolg, denn die Nachprüfung des Urteils auf die allein erhobene allgemeine Sachrüge hat keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

Der Erörterung bedarf lediglich das Folgende:

1.) Die knappen Feststellungen des angefochtenen Urteils tragen den Schuldspruch wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, denn ihnen ist die vorsätzliche Begehungsweise ebenso wie die erforderliche Eigennützigkeit des Betäubungsmittelgeschäftes noch ausreichend zu entnehmen. Für die Annahme von Eigennutz reicht es aus, wenn - wie hier - nach Art und Umfang der auf Umsatz gerichteten Tätigkeit andere als eigennützige Motive ausscheiden (Weber/Kornprobst/Maier/Weber, 6. Aufl. 2021, BtMG § 29 Rn. 350).

2.) Die Beweiswürdigung des Tatgerichts unterliegt nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht. Das Revisionsgericht prüft allein, ob dem Tatgericht bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist lediglich dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, lückenhaft oder unklar ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (vgl. BGH NStZ 1984, 180; NStZ-RR 2004, 238).

Unter Berücksichtigung dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabes erweist sich die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils als frei von Rechtsfehlern.

Legt der Tatrichter das Geständnis des Angeklagten seinen Feststellungen zugrunde, weil er es für glaubhaft erachtet, so ist er nicht stets verpflichtet, es in den Urteilsgründen in allen seinen Einzelheiten zu dokumentieren; es kann vielmehr bei einfach gelagerten Sachverhalten genügen, auf die Feststellungen Bezug zu nehmen und nachvollziehbar darzulegen, aus welchen Gründen er das Geständnis für glaubhaft erachtet (Senat, Beschluss vom 8. März 2024, 2 ORs 23/24; OLG Celle, Beschluss vom 14.12.2017, 3 Ss 48/17).

So liegt der Fall hier. Das Amtsgericht hat die Glaubhaftigkeit des Geständnisses ersichtlich durch die Erkenntnisse aus der Sicherstellung der von dem Angeklagten verkauften Kokainmengen und deren Untersuchung durch einen durchgeführten ESA-Schnelltest überprüft. Zwar darf die Feststellung, dass es sich bei sichergestellten Substanzen um Betäubungsmittel handelt, nicht allein auf das Ergebnis eines ESA-Schnelltests gestützt werden, da es sich nicht um ein in der Praxis als zuverlässig anerkanntes Standardtestverfahren handelt (Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 26. Oktober 2023 - 1 ORs 144/23 -, juris; Senat, Beschluss vom 25. Juni 2014 - ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge