Leitsatz (amtlich)
Zur Abgrenzung zwischen einem in die Haftungsbeschränkung nach § 105 Abs. 1 SGB VII einbezogenen Betriebsweg und einem von dieser Haftungsbeschränkung nicht erfassten "normalen" Weg i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII.
Normenkette
SGB VII §§ 8, 105 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Hannover (Beschluss vom 18.03.2005; Aktenzeichen 18 O 382/04) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der Einzelrichterin der 18. Zivilkammer des LG Hannover vom 18.3.2005 - Az.: 18 O 382/04 - abgeändert:
Dem Antragsteller wird ab dem Zeitpunkt der Antragstellung für die erste Instanz Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt unter Beiordnung von Rechtsanwalt A., ..., zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts.
Gründe
Die Beschwerde ist gem. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässig, insb. form- und fristgerecht eingelegt. In der Sache hat sie ebenfalls Erfolg. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe i.S.v. § 114 ZPO sind erfüllt.
1. Der Antragsteller ist nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen. Dies folgt aus seinen zur Akte gereichten entsprechenden Erklärungen (Bl. 1 f. im Beiheft Prozesskostenhilfe).
2. Die beabsichtigte Klage hat i.S.v. § 114 ZPO nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand hinreichende Erfolgsaussicht und erscheint nicht mutwillig. Im Gegensatz zur Ansicht des LG kommen hier nicht die Grundsätze eines gestörten Gesamtschuldnerverhältnisses zur Anwendung. Dabei kann für das Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren dahinstehen, ob es sich bei dem Verkehrsunfall vom 24.4.2004 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat oder nicht.
a) Wenn es sich bei der zu dem genannten Verkehrsunfall führenden Fahrt am 24.4.2004 um eine reine Gefälligkeitsfahrt gehandelt hat, scheidet ein Arbeitsunfall aus. Eine Haftungsprivilegierung über die §§ 104 f. SGB VII kommt dann nicht in Betracht. Damit bestünde auch keine Veranlassung, eine Haftungsverteilung nach den Grundsätzen des gestörten Gesamtschuldverhältnisses (BGH v. 24.6.2003 - VI ZR 434/01, BGHZ 155, 205 = BGHReport 2003, 1204 = MDR 2003, 1232, m.w.N.) vorzunehmen.
b) Geht man aber - wie das LG im angefochtenen Beschluss - davon aus, dass es sich vorliegend um einen Arbeitsunfall i.S.v. § 8 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 SGB VII handelt, entfällt ebenfalls eine Haftungsprivilegierung nach den §§ 104 ff. SGB VII, da auch in diesem Fall eine Haftungsbeschränkung nach § 105 Abs. 1 SGB VII nicht zugunsten der Beklagten eingreift. Denn gem. § 105 Abs. 1 SGB VII war die Haftung des bei dem Unfall getöteten Fahrers ggü. den übrigen Fahrzeuginsassen und damit auch ggü. dem Antragsteller nicht ausgeschlossen bei der Verursachung von Sachschäden, bei vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalls und - wie vorliegend - bei dessen Herbeiführung auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg (Geigel/Kolb, Der Haftpflichtprozess, 24. Aufl., Kap. 31 Rz. 108). Bei dem hier zu beurteilenden Verkehrsunfall handelte es sich aber um einen von dieser Haftungsbeschränkung ausgenommenen Wegeunfall i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII.
aa) Der von dem Antragsteller zusammen mit dem (bei dem Unfall zu Tode gekommenen) Herrn E.A. am Unfalltag genommene Weg war nicht ein Betriebsweg, der Teil der den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit und damit bereits gem. § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII versicherte Tätigkeit war. Für die Abgrenzung, ob ein Versicherungsfall bei einem in die Haftungsbeschränkung einbezogenen Betriebsweg oder einem von der Haftungsbeschränkung ausgenommenen "normalen" Weg i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII eingetreten ist, ist entscheidend, ob sich ein betriebliches Risiko oder ein "normales" Risiko verwirklicht hat, das nach dem Willen des Gesetzgebers aus Gründen der Gleichbehandlung nicht zu einem Haftungsausschluss ggü. dem Schädiger führen soll (BGH v. 2.12.2003 - VI ZR 349/02, BGHZ 157, 159 = BGHReport 2004, 371 m. Anm. Gaul/Otto). Für die Annahme eines innerbetrieblichen Vorgangs reicht dabei allein der betriebliche Zweck der zum Unfall führenden Fahrt nicht aus. Diese muss vielmehr selbst Teil der betrieblichen Organisation sein und in ihrer Durchführung dadurch geprägt sein. Nur in diesem Fall stellt sich das verwirklichte Risiko als zum Betrieb gehörig dar und hebt sich von den üblichen Risiken des allgemeinen (Straßen-)Verkehrs ab (BGH v. 5.11.1991 - VI ZR 20/91, MDR 1992, 164 = VersR 1992, 122 f.; v. 12.10.2000 - III ZR 39/00, MDR 2001, 331 = VersR 2001, 335 f.; Ricke in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 104 SGB VII Rz. 13; OLG Celle, Urt. v. 16.5.2002 - 14 U 231/01). Das Vorliegen eines Wegeunfalls allein begründet demgegenüber noch nicht die Haftungsbeschränkung des § 105 SGB VII (Geigel/Kolb, Der Haftpflichtprozess, 24. Aufl., Kap. 31 Rz. 101, m.w.N.).
bb) Unter diesen Voraussetzungen handelt es sich bei der zu dem Verkehrsunfall am 24.4.2004 führenden Fahrt nicht um einen innerbetrieblichen Vorgang. S...