Leitsatz (amtlich)
1. Im Rahmen der auch nach § 115 ZPO gebotenen Abwägung zwischen den Interessen des Antragstellers und denen der Allgemeinheit (konkret also der erheblich überschuldeten Länderhaushalte) ist die Zumutbarkeit einer Eigenvorsorge vor der Antragstellung bedeutsam.
2. Selbständige und Gewerbetreibende müssen für das Risiko der Notwendigkeit gerichtlicher Durchsetzung von Ansprüchen oder die Verteidigung gegen gerichtliche Inanspruchnahme in geschäftlichen Angelegenheiten Vorsorge treffen. Sie müssen im Prozesskostenhilfeverfahren darlegen und belegen, dass sie zu aktiver Zeit Rücklagen in ausreichender Höhe gebildet hatten, und dass und wofür diese Rücklagen später verbraucht worden sind.
Verfahrensgang
LG Stade (Beschluss vom 04.05.2005; Aktenzeichen 2 O 123/05) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss der 2. Zivilkammer des LG Stade vom 4.5.2005 wird zurückgewiesen.
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet; zu Recht hat das LG Prozesskostenhilfe versagt. Der Ausgangspunkt des LG ist nicht zu beanstanden. Zu Recht hat das LG nicht nur auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Antragstellung abgehoben. Im Rahmen der auch nach § 115 ZPO gebotenen Abwägung zwischen den Interessen des Antragstellers und denen der Allgemeinheit (konkret also der erheblich überschuldeten Länderhaushalte) ist auch auf die Zumutbarkeit einer Eigenvorsorge vor der Antragstellung Gewicht zu legen. Das LG hat zutreffend auf die ständige Rechtsprechung etwa des 11. Zivilsenats des OLG Celle hingewiesen; die zitierte Entscheidung ist mittlerweile mehrfach inhaltlich bekräftigt worden. Danach müssen Selbständige und Gewerbetreibende für das Risiko der Notwendigkeit gerichtlicher Durchsetzung von Ansprüchen oder die Verteidigung gegen gerichtliche Inanspruchnahme in geschäftlichen Angelegenheiten Vorsorge treffen. Zum Nachweis dennoch bestehender Bedürftigkeit müssen derartige Personen (auch bei etwaiger Aufgabe des Geschäftsbetriebes) darlegen und belegen, dass sie zu aktiver Zeit Rücklagen in ausreichender Höhe gebildet hatten und dass und wofür diese Rücklagen später verbraucht worden sind. Es geht nicht an, dass Selbständige ihre Erlöse vollständig vereinnahmen, dann aber das Risiko etwaiger Prozesse aus dem Zusammenhang ihrer selbständigen Tätigkeit auf die öffentliche Hand verlagern.
Dies scheint zwar auch die Beschwerde einzuräumen, die allerdings darauf abhebt, dass Gegenstand des beabsichtigten Rechtsstreits nicht Forderungen "im Außenverhältnis" seien. Diese Einschätzung teilt der Senat nicht; der Antragsteller hat sich zu wirtschaftlichen Zwecken mit Herrn M. in einer Gesellschaft zusammengeschlossen, sodass es nicht darauf ankommt, ob der Antragsteller Auseinandersetzungen mit Vertragspartnern (der Gesellschaft) führt, oder - wie hier - Auseinandersetzungsansprüche - im Übrigen jedenfalls teilweise auch gerade aus der Begleichung solcher Forderungen "im Außenverhältnis" - verfolgt. Mit dem in der sofortigen Beschwerde angesprochenen "moralisierenden Bestrafen" hat dies nichts zu tun. Es ist vielmehr um die Konsequenz aus dem Umstand, dass ein sachgerecht handelnder Unternehmer gehalten ist, Rücklagen für Prozesse, die sich im Zusammenhang mit der gewerblichen Tätigkeit ergeben könnten, zu bilden hat. Letzteres hat die Kammer nicht feststellen können. Ebenso ist nicht ersichtlich, dass dies dem Antragsteller durchgehend - nämlich jedenfalls seit Ende 2000 - nicht möglich war.
Fundstellen
Haufe-Index 1449753 |
FamRZ 2007, 154 |
GuT 2006, 80 |
NJOZ 2006, 153 |
OLGR-Nord 2006, 151 |