Leitsatz (amtlich)
1. Im Verfahren auf Anfechtung der Vaterschaft kann durch gerichtlichen Beschluss die im Rahmen eines vorangegangenen Hauptsacheverfahrens erfolgte Übertragung von Teilen der elterlichen Sorge nicht geändert oder eingeschränkt werden.
2. Die Anfechtungsfrist für das minderährige oder volljährige geschäftsunfähige Kind wird grundsätzlich mit der Kenntnis des zur Anfechtung befugten gesetzlichen Vertreters in Lauf gesetzt. Wurde die Frist zur Anfechtung der Vaterschaft durch diesen versäumt, so führt der Wechsel des gesetzlichen Vertreters und dessen Kenntnis nicht zu einem Neubeginn der Anfechtungsfrist.
3. Im Rahmen der Kindeswohlprüfung nach § 1600a Abs. 4 BGB sind die konkreten Vor und Nachteile, ob die Anfechtung der Vaterschaft im Interesse des Kindes liegt, gegen einander abzuwägen.
Normenkette
BGB § 1600 Abs. 1 Nr. 4, § 1600a Abs. 4, § 1600b Abs. 1-2
Verfahrensgang
AG Bückeburg (Entscheidung vom 05.04.2011; Aktenzeichen 51 F 207/10) |
Tenor
I. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
II. Gerichtsgebühren für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
Außergerichtliche Kosten der Beteiligten im Beschwerdeverfahren werden nicht erstattet.
III. Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.000 € festgesetzt.
Gründe
1. Die Beteiligten streiten um die Abstammung des Kindes J. (Beteiligter zu 1) vom Beteiligten zu 2.
Der Beteiligte zu 2 hat mit Zustimmung der - bisher nicht am Verfahren beteiligten Mutter des Kindes (§ 172 Nr.2 FamFG) - am xx. Januar 2005 die Vaterschaft für den am xxx 2003 geborenen J. anerkannt. Am 11. April 2005 erteilte die Mutter von J. durch Erklärung gegenüber dem Standesamt H. mit Zustimmung des Beteiligten zu 2 ihrem Sohn den Familiennamen W. Sorgerechtserklärungen wurden nicht abgegeben.
Auf Anregung des Jugendamtes des Landkreises H. wurde am Amtsgericht H. ein Verfahren auf Entziehung der elterlichen Sorge eingeleitet (xxx). In diesem Verfahren beantragte der Beteiligte zu 2 im Hinblick auf die zuvor bestehende Lebensgemeinschaft die Übertragung der elterlichen Sorge auf sich. Mit Beschluss vom 26. November 2009 wurde unter Zurückweisung dieses Antrags der allein sorgeberechtigten Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Gesundheitssorge, das Recht auf Stellung von Anträgen nach dem SBG VIII und das Recht auf Regelung der Schulangelegenheiten sowie zur Regelung von Besuchskontakten entzogen und dem Jugendamt als Ergänzungspfleger übertragen. Seine hiergegen gerichtete Beschwerde (xxx) hat der Beteiligte zu 2 zurückgenommen.
Im Verfahren xxx AG Bückeburg beantragte das Jugendamt, die bestehende Pflegschaft um den Wirkungskreis Anfechtung der Vaterschaft zu erweitern, weil nach den übereinstimmenden Angaben in dem vorangegangenen Sorgerechtsverfahren nicht der Beteiligte zu 2, sondern Herr M. der biologische Vater des Beteiligten zu 1 sei. Mit Beschluss vom 20. August 2010 entzog das Amtsgericht der Kindesmutter die elterliche Sorge hinsichtlich des Rechts, die Vaterschaft anzufechten, und übertrug auch diese auf das Jugendamt. Über die hiergegen gerichtete Beschwerde des hiesigen Beteiligten zu 2 hat der 12. Senat des OLG Celle (xxx) noch nicht entschieden, weil die Verfahrensbeteiligten in der Anhörung vom 20. April 2011 übereinstimmend darum gebeten hatten, das Verfahren im Hinblick auf das im vorliegenden Abstammungsverfahren einzuholende Gutachten ruhend zu stellen.
Im vorliegenden Verfahren hat das durch das Jugendamt vertretene Kind mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2010 beantragt festzustellen, dass der Beteiligte zu 2 nicht sein Vater ist (Ziffer I.) und festzustellen, dass Herr M. sein Vater ist (Ziffer II.). Dem ist der Beteiligte zu 2 entgegen getreten und macht geltend, dass für den Beteiligten zu 1 die Anfechtungsfrist bereits abgelaufen sei und die Anfechtung nicht zum Wohl des Kindes i. S. v. § 1600 a Abs. 4 BGB liege.
Nach dem Erörterungstermin am 17. Dezember 2010, zu dem die Mutter des Beteiligten zu 1 und - nach konkludenter Abtrennung des auf Feststellung der Vaterschaft gerichteten Antrags (xxx) - der als biologischer Vater in Anspruch genommene Mann nicht geladen waren, hat das Amtsgericht mit Beweisbeschluss vom 7. Januar 2011 die Einholung eines Gutachtens der Dipl. Pädagogin K. angeordnet, in dem u. a. geklärt werden soll, ob die im vorangegangenen Sorgerechtsverfahren (xxx AG Hameln) festgestellte Kindeswohlgefährdung fortbestehe und ob die Eheleute W. erziehungsfähig seien. Mit Schreiben vom 29. März 2011 teilte die Sachverständige mit, dass zur Beantwortung der Beweisfrage die Beobachtung der Interaktion zwischen dem Beteiligten zu 2 und seiner Ehefrau einerseits sowie dem Beteiligten zu 1 andererseits über 48 Stunden, d. h. mit einer Übernachtung unerlässlich sei. Dem war das Jugendamt als Ergänzungspfleger bereits mit Schriftsatz vom 11. März 2011 entgegen getreten und hatte sich im Hinblick auf die Entwicklung des Kindes mit einer Übernachtung nicht einverstanden erklärt.
Daraufhin hat das Amtsgericht im angefochtenen Beschluss di...