Entscheidungsstichwort (Thema)
Mangelbeseitigungskosten Grenzüberbau; Mangelschaden: Schadensberechnung bei Errichtung eines Zauns auf dem Nachbargrundstück
Leitsatz (amtlich)
1. Errichtet ein Werkunternehmer infolge eines Planungsfehlers einen Zaun teilweise auf dem Nachbargrundstück, kann der Schadensersatzanspruch des Auftraggebers wegen Werkmangels jedenfalls dann nicht nach den fiktiven Mangelbeseitigungskosten berechnet werden, wenn ein (befürchteter) Beseitigungsanspruch des Nachbarn nach nachbarrechtlichen Vorschriften zeitlich ausgeschlossen ist.
2. Der Schaden kann nach dem Wert der Teile des Zauns geschätzt werden, die wesentlicher Bestandteil des Nachbargrundstücks werden.
Normenkette
BGB §§ 633-634, 823, 1004; NachbG § 33
Verfahrensgang
LG Hildesheim (Aktenzeichen 5 O 234/22) |
Gründe
I. Der Senat schlägt den Parteien vor, sich wie folgt zu vergleichen:
...
II. Dem Vergleichsvorschlag liegen folgende rechtliche Erwägungen zu Grunde:
1. ...
2. Das Werk des Beklagten ist mangelhaft im Sinne des § 633 Abs. 2 S. 1 BGB. Der Zaun steht entgegen der Vereinbarung der Parteien auf dem Grundstück des Nachbarn des Klägers, was auf einem Messfehler des Beklagten beruht. Dies hat das Landgericht nach Vernehmung der Zeugen v. B. und Ö. in nicht zu beanstandender Weise festgestellt. An diese Feststellungen ist der Senat gemäß § 529 Abs. 1 ZPO gebunden. Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der festgestellten Tatsachen sind nicht ersichtlich. Insbesondere hat das Landgericht nicht verkannt, dass der Kläger für das Vorliegen des Mangels beweisbelastet ist. Entgegen der Auffassung des Beklagten hat das Landgericht lediglich die Frage offengelassen, welcher Fehler den Mitarbeitern des Beklagten bei der Einmessung unterlief, nicht hingegen die Frage, ob ihnen ein Fehler unterlief.
Weiterhin ergeben sich keine Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der vom Landgericht festgestellten Tatsachen, weil das Landgericht festgestellt hat, dass sich der Zaun außerhalb der Grundstücksgrenze des Klägers befindet. Zwar hat der Beklagte bereits in der Klagerwiderung bestritten, dass sich der Zaun außerhalb der Linie zwischen den maßgeblichen Grenzsteinen und damit auf dem Nachbargrundstück befindet. Auf die Frage, ob der Schriftsatz des Beklagten vom 11. Mai 2023 (Bl. 159 d.A.), nach § 296a ZPO zu berücksichtigen ist, kommt es daher nicht an. Das Landgericht hat jedoch die Frage, ob der Zaun auf dem Nachbargrundstück errichtet wurde, nicht als unstreitig eingeordnet. Das Landgericht ist aufgrund der Vermessungsunterlagen (Anlage K 2, Bl. 17 ff. d.A.) zu dem Ergebnis gelangt, dass sich der Zaun auf dem Nachbargrundstück befindet. Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der festgestellten Tatsachen ergeben sich auch diesbezüglich nicht. Die Feststellungen sind insbesondere aufgrund des Grenzdokuments (Anlage K2, Bl. 21 d.A.) schlüssig und nachvollziehbar. Dort hat der Vermessungsingenieur unter Punkt 1.1 aufgenommen, dass "sich (...) Übereinstimmung ergeben" hat "mit Ausnahme der in der Skizze vermerkten Abweichungen" (Anlage K2, Bl. 21 d.A.). Insofern gibt es keine Anhaltspunkte für den Einwand des Beklagten, der Kläger selbst habe die Abweichung in den Lageplänen vermerkt.
Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen des Landgerichts ergeben sich auch nicht aus den mit der Berufungsbegründung eingereichten Lichtbildern. Dabei kann offenbleiben, ob der mit den Lichtbildern untermauerte Vortrag, der Zaun stünde in einer Flucht mit der Garage, nach § 531 Abs. 2 ZPO zu berücksichtigen ist. Bereits aus den Lichtbildern des Beklagten (Bl. 32 und 33) ergibt sich, dass der Zaun nicht bündig mit der Garage abschließt, sondern sich weiter rechts befindet. Durch die vom Kläger eingereichten Lichtbilder (Anlage K 11_1 und K 11_2, Bl. 49, 50 und 52 d.A.) mit den darin enthaltenen Markierungen wird dieser Überstand nur noch deutlicher.
3. Die Entscheidung des Landgerichts zur Schadenshöhe ist nicht überzeugend.
a) Eine Schätzung des Schadensersatzanspruchs anhand des vom Kläger behaupteten Kostenvoranschlags kommt nicht in Betracht. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine fiktive Abrechnung eines durch eine Werkleistung des Unternehmers verursachten Mangel ausscheidet. Der Besteller, der keine Aufwendungen zur Mängelbeseitigung tätigt, hat keinen Vermögensschaden in Form und Höhe dieser (nur fiktiven) Aufwendungen (BGH, Urteil vom 22. Februar 2018, Az. VII ZR 46/17, Rn. 32, zit. nach juris). Eine Schadensbemessung nach fiktiven Mangelbeseitigungskosten führt häufig zu einer Überkompensation und damit einer nach allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätzen nicht gerechtfertigten Bereicherung des Bestellers (BGH, a.a.O., Rn. 34). Wenn der Besteller den Mangel nicht beseitigen lässt, bemisst sich sein Vermögensschaden aus dem Vergleich des mangelhaften Werks zu dem geschuldeten (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 38, zit. nach juris). Der Sch...