Entscheidungsstichwort (Thema)
EU-Fahrerlaubnis bei vorangegangener erstmaliger Versagung einer inländischen Fahrerlaubnis
Leitsatz (amtlich)
Die erstmalige Versagung einer inländischen Fahrerlaubnis steht der Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen aufgrund einer anschließend erlangten EU-Fahrerlaubnis nicht entgegen.
Normenkette
StVG § 21; FeV § 28; EGRL 126/2006 Unterabschn. 2 Art. 11 Abs. 4
Verfahrensgang
LG Hannover (Entscheidung vom 17.10.2017; Aktenzeichen 60 Ns 31/17) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 15. kleinen Strafkammer des Landgerichts Hannover vom 17.10.2017 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Hannover zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Hannover hat den Angeklagten mit Urteil vom 20.12.2016 wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 10 € verurteilt, den polnischen Führerschein eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf eines Jahres keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
Mit Urteil vom 17.10.2017 hat die 15. kleine Strafkammer des Landgerichts Hannover die Berufung des Angeklagten mit der Maßgabe verworfen, dass die Verwaltungsbehörde angewiesen wurde, dem Angeklagten vor Ablauf von einem Jahr weder das Recht, von der ausländischen Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen, noch eine deutsche Fahrerlaubnis zu erteilen.
Nach den Feststellungen des landgerichtlichen Urteils befuhr der Angeklagte am 12.10.2015 gegen 13.10 Uhr mit dem Pkw ..., den öffentlichen Verkehrsraum und dabei u.a. den Parkplatz des ...-Marktes in H., obwohl er wusste, dass er über keine gültige Erlaubnis der Verwaltungsbehörde zum Führen von Kraftfahrzeugen verfügte. Der Angeklagte hatte zwar am 12.01.2011 eine polnische Fahrerlaubnis der Klasse "B" erworben; ihm war jedoch durch Bescheid der Landeshauptstadt Hannover vom 11.04.2005, bestandskräftig seit dem 17.05.2005, die Erteilung einer Fahrerlaubnis versagt worden. Beim Einparken beschädigte der Angeklagte einen anderen Pkw; zudem ergab eine dem Angeklagten um 14:13 Uhr entnommene Blutprobe eine Blutalkoholkonzentration von 0,72g Promille.
Diese Feststellungen beruhen dem angefochtenen Urteil nach auf den Angaben des Angeklagten, der seine Fahrereigenschaft im Tatzeitpunkt eingeräumt hat, auf einem in der Hauptverhandlung verlesenen Auszug aus der Führerscheindatei der Landeshauptstadt Hannover vom 13.06.2012 sowie auf den Angaben der Zeugen PHK ... und PK ... .
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er zum einen die Verletzung materiellen Rechts rügt. Zum anderen erhebt er eine Verfahrensrüge mit der Begründung, die Strafkammer habe seinen Beweisantrag auf Vernehmung von zwei Zeugen, die den überwiegenden Aufenthalt des Angeklagten sowie seine amtliche Meldung in Polen im Zeitraum vom 07.06.2010 bis zum 30.06.2011 bestätigen könnten, zu Unrecht wegen Bedeutungslosigkeit zurückgewiesen.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hannover vom 17.10.2017 gem. § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
II.
Die zulässige Revision hat bereits mit der allg. Sachrüge (zumindest vorläufig) Erfolg und führt zur Aufhebung des landgerichtlichen Urteils mit den getroffenen Feststellungen. Auf die ebenfalls erhobene Verfahrensrüge kommt es deshalb nicht mehr an.
Die getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis nicht, weil sich ihnen bereits nicht entnehmen lässt, ob die durch die Landeshauptstadt Hannover ausgesprochene, bestandskräftige Versagung der Erteilung einer Fahrerlaubnis im Tatzeitpunkt, d.h. am 12.10.2015 im Fahreignungsregister eingetragen und nicht gem. § 29 StVG getilgt war (vgl. im Folgenden die Ausführungen unter Ziffer 1). Darüber hinaus lässt sich den Feststellungen des Landgerichts nicht entnehmen, ob es sich bei der bestandskräftigen Versagung der Erteilung der Fahrerlaubnis durch die Landeshauptstadt Hannover um die Versagung einer Ersterteilung einer Fahrerlaubnis handelt (vgl. im Folgenden die Ausführungen unter Ziffer 2).
1. Zwar hat die Kammer zutreffend angenommen, dass die nach § 28 Abs. 1 Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) grundsätzlich bestehende Berechtigung, als Inhaber einer gültigen EU-Fahrerlaubnis in Deutschland Kraftfahrzeuge zu führen, durch § 28 Abs. 4 Nr. 3 FeV eingeschränkt wird. So gilt nach § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV die Berechtigung nach § 28 Abs. 1 FeV nicht für Inhaber einer EU-Fahrerlaubnis, die erlangt wurde, nachdem in Deutschland die Fahrerlaubnis bestandskräftig versagt worden war. Abgesehen von der Frage, ob diese Vorschrift mit höherrangigem europäischen Recht vereinbar ist (vgl. insoweit die Ausführungen unter Ziffer 2), ist es aufgrund des in Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates...