Leitsatz (amtlich)
Kein Beweisverwertungsverbot für Lichtbilder einer automatisierten und verdachtsabhängigen Geschwindigkeitsmessanlage.
Verfahrensgang
AG Hannover (Entscheidung vom 19.01.2010) |
Tenor
1. Die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 19. Januar 2010 wird zugelassen.
2. Die Sache wird auf den Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.
3. Das Urteil vom 19. Januar 2010 wird mit den Feststellungen aufgehoben.
4. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Hannover zurückverwiesen.
Gründe
1. Das Amtsgericht Hannover verurteilte den Betroffenen wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 140,- Euro. Nach den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen befuhr der Betroffene am 5. Oktober 2009 in H. den W. und überschritt hierbei die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 32 km/h.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seinem Zulassungsantrag. Er rügt im Hinblick auf ein vom Amtsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten Lichtbildes eine Verletzung von § 261 und § 267 StPO und macht insoweit überdies ein Beweisverwertungsverbot geltend. Das fragliche Lichtbild sei nicht in die Hauptverhandlung eingeführt und überdies nicht ordnungsgemäß in Bezug genommen worden. Seiner Verwertung stehe schließlich das Fehlen einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage zum Erstellen des Lichtbildes entgegen.
2. Die Rechtsbeschwerde war nach Maßgabe von § 80 Abs. 1 Satz 1 OWiG zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Zum Sicherungsinteresse im Sinne von § 80 Abs. 1 Satz 1 OWiG hat die Generalstaatsanwaltschaft im Rahmen ihrer Zuschrift zutreffend ausgeführt:
"Bei Fehlern des Verfahrensrechts kann die Einheitlichkeit der Rechtsprechung nicht nach dem Ergebnis der Entscheidung beurteilt, sondern sie muss nach anderen Kriterien bestimmt werden. Entscheidend ist hier der Rang der Norm, die fehlerhaft angewendet ist, und damit auch die Schwere des Fehlers (vgl. Göhler, OWiG, 15. Aufl., § 80 Rn. 7b). Nur ein ersichtliches Versehen im Einzelfall, dessen Wiederholung nicht zu besorgen ist, gebietet nicht die Nachprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht (Karlsruher Kommentar, OWiG, 3. Aufl., § 80 Rn. 27). Sind dagegen wie hier elementare Verfahrensgrundsätze verletzt, so ist in der Regel die Gefahr einer Wiederholung gegeben, weil die elementaren Verfahrensgrundsätze in jedem Verfahren zu beachten sind (vgl. Göhler, aaO., Rn. 8)."
Diesen Ausführungen tritt der Senat bei. Auf die weiterhin erhobenen Verfahrensrügen kam es hiernach nicht mehr an.
3. Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache zumindest einstweilen Erfolg.
a) Soweit der Betroffene eine Verletzung von § 261 StPO rügt, weil das Amtsgericht seine Feststellungen nicht auf in der Hauptverhandlung gewonnene Beweismittel gestützt hat, ist die entsprechende Verfahrensrüge zulässig im Sinne von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ausgeführt. Die Rüge teilt auch mit, dass das fragliche Lichtbild auch in sonstiger Weise nicht in die Hauptverhandlung eingeführt wurde. Soweit ausweislich des Protokolls ein Lichtbild erörtert und als Anlage zu Protokoll zu den Akten genommen wurde, hat der Betroffene auch ausgeführt, dass es sich hierbei nicht um das vom Amtsgericht im Urteil erwähnte Lichtbild des Betroffenen handeln kann, weil dieses Foto ein Fahrzeug oder eine Person überhaupt nicht zeigt. Da das maßgebliche Messfoto nur durch Einnahme des Augenscheins, der zu den wesentlichen Förmlichkeiten der Hauptverhandlung zählt, eingeführt werden konnte, dies ausweislich des Protokolls indessen nicht erfolgt ist, ist die auf eine Verletzung von § 261 StPO gestützte Verfahrensrüge auch begründet. Nur ergänzend bemerkt der Senat, dass das vom Amtsgericht bemühte Lichtbild überdies nicht ordnungsgemäß in Bezug genommen wurde. Insoweit hat der Betroffene zutreffend darauf hingewiesen, dass das bloße Benennen einer Seitenzahl nicht ausreichend ist (vgl. etwa Meyer-Goßner, Strafprozessordnung, 52. Aufl., § 267 Rn. 8 m.w.N.). Das angefochtene Urteil konnte hiernach keinen Bestand haben.
b) Auf das Vorliegen eines vom Betroffenen geltend gemachten Beweisvertungsverbots kam es für die vorliegende Entscheidung hiernach nicht an. Insofern bemerkt der Senat jedoch, dass - nicht nur - nach seiner Spruchpraxis ein Beweisvertungsverbot nicht vorliegen dürfte. Insofern hat der Senat erst kürzlich (Beschluss vom 29. April 2010, Az.: 311 SsBs 25/10) ausgeführt:
"Die angefochtene Entscheidung steht zur Frage eines Beweisverwertungsverbotes im Einklang mit der Rechtsprechung der hiesigen Bußgeldsenate (vgl. 1. Bußgeldsenat, Beschl. vom 10.2.2010 - 311 SsRs 15/10 -; 2. Bußgeldsenat, Beschl. vom 7.4.2010 - 322 SsBs 94/10 -; jew. m. w. N.). Auch die übrige obergerichtliche Rechtsprechung geht im Falle verdachtsabhängiger Bild- bzw. Videoaufzeichnungen [ ... ] von einer Verwertbarkeit der Lichtbilder bzw. Videoaufzeichnungen a...