Leitsatz (amtlich)

Für eine Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO ist kein Raum, wenn zum Zeitpunkt der "Klagerücknahme" eine Klage noch gar nicht anhängig ist.

Wird nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage vom Antragsteller keine den Erfordernissen des § 253 Abs. 2 ZPO entsprechende Klageschrift eingereicht, sondern stattdessen vom Gericht dem Gegner lediglich eine Abschrift des Prozesskostenhilfegesuchs zugestellt, kann eine Anhängigmachung der Klage erst zu dem Zeitpunkt als erfolgt angesehen werden, wenn der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung zu erkennen gibt, dass er den Prozesskostenhilfeantrag nun mehr als Klageschrift ansehen will.

 

Normenkette

ZPO § 269 Abs. 3, § 253 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Stade (Beschluss vom 18.03.2011; Aktenzeichen 5 O 173/10)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des LG Stade vom 18.3.2011 - im Umfang seines Kostenausspruchs - aufgehoben und der Antrag des Antragstellers, der Antragsgegnerin die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Beschwerdewert wird auf bis 900 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 10.6.2010 Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Unterlassungsklage beantragt. Mit Beschluss vom 12.11.2010 hat das LG antragsgemäß Prozesskostenhilfe bewilligt. Zur Einreichung einer den Anforderungen des § 253 Abs. 2 ZPO entsprechenden Klageschrift hat es den Antragsteller im Folgenden nicht aufgefordert. Es hat stattdessen der Antragsgegnerin eine Abschrift des Prozesskostenhilfeantrages zugestellt und zugleich das schriftliche Vorverfahren angeordnet. Zeitlich hierauf, noch vor einer zwischenzeitlich seitens des LG anberaumten mündlichen Verhandlung, hat der Antragsteller seine Klage unter Berufung auf ein erledigendes Ereignis zurückgenommen, das in einem Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 21.10.2010 zu sehen ist, den das LG dem Antragsteller zugeleitet hat, der nach dessen Behauptung ihm aber nicht zugegangen und dessen Inhalt ihm erst zeitlich nach der erfolgten Bewilligung von Prozesskostenhilfe bekannt geworden sein soll.

Das LG hat die Kosten des Rechtsstreits der Antragsgegnerin auferlegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO auch die Fälle umfasse, in denen der Klageanlass bereits vor Eintritt der Anhängigkeit weggefallen ist, wenn der Kläger in Unkenntnis des Wegfalls Klage erhoben und diese dann unverzüglich zurückgenommen hat. Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin.

II. Die gem. § 269 Abs. 5 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin hat Erfolg. Für eine Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 ZPO, wie sie das LG in dem angefochtenen Beschluss vorgenommen hat, ist vorliegend kein Raum.

Nach § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO ist über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden, wenn der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen ist und die Klage daraufhin unverzüglich zurückgenommen wird; dies gilt auch, wenn die Klage nicht zugestellt wurde.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Auf die in dem angefochtenen Beschluss angesprochene Streitfrage, ob § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO auch die Fälle erfasst, in denen der Klageanlass bereits vor Eintritt der Anhängigkeit weggefallen ist, wenn der Kläger in Unkenntnis des Wegfalls Klage erhoben und diese dann unverzüglich zurückgenommen hat (vgl. dazu im Überblick Musielak/Foerste, ZPO, 8. Aufl., § 269 Rz. 13b), kommt es nicht an.

Die Vorschrift des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO setzt ein Prozessrechtsverhältnis voraus. Erforderlich ist also, dass eine Klageschrift bei Gericht eingereicht worden ist. (vgl. OLG Braunschweig, Beschl. v. 8.2.2005 - 1 WF 41/05, zitiert nach juris, Tz. 5; OLG Celle, Beschl. v. 2.3.2010 - 4 W 30/10, zitiert nach juris, Tz. 5). Das ist vorliegend indes nicht der Fall.

Der Schriftsatz vom 10.6.2010 enthielt lediglich den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine nur beabsichtigte Klage. Durch dessen Zuleitung an die Antragsgegnerin im Prozesskostenhilfeverfahren ist noch kein Prozessrechtsverhältnis zwischen den Parteien zustande gekommen (vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 20.6.2008 - 14 U 195/07, zitiert nach juris, Tz. 13; OLG Dresden, Beschl. v. 17.4.1997 - 6 W 0287/97, NJW-RR 1997, 1424). Nachdem das LG dem Antragsteller Prozesskostenhilfe für die beabsichtige Klage bewilligt hat, hätte es diesem oblegen, eine den Erfordernissen des § 253 Abs. 2 ZPO entsprechende Klageschrift einzureichen. Erst dies hätte eine ausreichende Grundlage für ein weiteres Tätigwerden des LG darstellen können (vgl. BGH, Urt. v. 24.5.1972 - IV ZR 65/71, NJW 1972, 1373, 1374). Eine derartige Klageschrift hat der Antragsteller - der hierzu vom LG allerdings auch nicht aufgefordert worden ist - nicht bei Gerich...

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