Entscheidungsstichwort (Thema)

Befangenheitsablehnung aufgrund gehäufter bzw. grober Verfahrensverstöße, Einstellung der Vollstreckung gemäß § 93 FamFG, Abänderung von Sorgerechtsentscheidungen

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Befangenheitsablehnung trägt auch aufgrund gehäufter bzw. grober Verfahrensverstöße, so etwa im Falle des Beharrens auf einer rechtlich grob falschen Position trotz entsprechender Gegenvorstellung.

Die Möglichkeit einer vorläufigen Einstellung der Vollstreckung gemäß § 93 FamFG - bezieht sich -wie sich bereits aus der Stellung der Vorschrift im entsprechenden Unterabschnitt 2 ergibt- ausschließlich auf Entscheidungen über die Herausgabe von Personen bzw. die Regelung des Umgangs (Fortführung Senatsbeschluss vom 2. Mai 2013 - 10 UF 100/13 - FamRZ 2013, 2001 f.).

Entführt ein Elternteil im Nachgang einer wirksamen Entscheidung, mit der das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ein Kind dem anderen Elternteil zugewiesen worden ist, dieses Kind, kann die so veränderte tatsächliche Lage für sich allein einen Abänderungsantrag nicht begründen.

 

Normenkette

BGB § 1696; FamFG § 6 Abs. 1 S. 1, § 93; ZPO § 42 Abs. 2

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Vaters werden der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 14. März 2022 geändert und die Befangenheitsablehnung d. Richter*in am Amtsgericht ... für begründet erklärt.

 

Gründe

I. Die elterliche Sorge für die beiden gemeinsamen Töchter der Beteiligten ist im Rahmen eines langwierigen Verfahrens, in dem vor allem auch das Gutachten eines psychiatrischen Sachverständigen eingeholt worden war, durch Senatsbeschluss vom 14. Juli 2021 (10 UF 245/20 - FamRZ 2022, 611 = juris), mit dem eine entsprechende bereits seit geraumer Zeit wirksame Entscheidung des Amtsgerichtes bestätigt wurde, allein dem Vater übertragen worden; hinsichtlich der umfangreichen Begründung wird auf diese Entscheidung Bezug genommen. Bereits im Zeitpunkt der besagten Senatsentscheidung (sowie auch bereits der vorangegangenen Anhörung vor dem Senat) hatte die Mutter die ältere Tochter (zum wiederholten Male) rechtswidrig zu sich entführt und verweigerte deren Herausgabe, die auch durch erste Vollstreckungsmaßnahmen nicht erreicht werden konnte. Auf diesen Gesichtspunkt sowie bereits zuvor den Kindern von der Mutter wiederholt zugemuteten zugespitzten Herausgabesituationen beruhte u.a. auch die abschließende Senatsentscheidung zur elterlichen Sorge. Eine ausdrückliche Herausgabeanordnung konnte durch den Senat seinerzeit nicht getroffen werden, weil dies nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens war.

In der Folgezeit hat sich der Vater fortlaufend darum bemüht, die Herausgabe auch der älteren Tochter an sich zu betreiben, was bis heute jedoch nicht umgesetzt werden konnte. Die Tochter wird weiterhin von der Mutter an von ihr nicht bekanntgegebenen Orten vor dem Vater verborgen und hat seitdem weder die Schule besucht, noch irgendwelche Kontakte zu ihrem normalen sozialen Umfeld, insbesondere auch ihrer jüngeren Schwester.

Zu einer - vom Vater seit geraumer Zeit ausdrücklich begehrten - Vollstreckung der durch einstweilige Anordnung vom 26. Juli 2021 (618 F 3230/21 EAHK) geregelten Herausgabeverpflichtung durch Ordnungsmittel ist es bislang nicht gekommen, u. a. weil das Amtsgericht in seinem entsprechenden Beschluss zunächst den dazu erforderlichen Hinweis unterlassen hatte und diesen erst auf gesondertes Betreiben des Vaters nachgeholt hat. Im Übrigen hat das Amtsgericht der Mutter, die nach wiederholten Anwaltswechseln derzeit durch einen in Berlin ansässigen Verfahrensbevollmächtigten vertreten wird, jeweils erhebliche Zeiträume für ihre Stellungnahmen eingeräumt und teilweise die wochenlange Dauer bewilligter Akteneinsicht hingenommen.

Die Mutter hat nach wie vor die zugrundeliegende Senatsentscheidung zur elterlichen Sorge in keiner Weise akzeptiert und versucht in sämtlichen Verfahren mit jeweils ausführlichen Darlegungen zur Fehlerhaftigkeit der Senatsentscheidung vor allem deren "Korrektur" zu erreichen.

Im vom Vater durchgängig wenn auch wenig erfolgreich betriebenen Verfahren auf Vollstreckung der einstweiligen Anordnung auf Herausgabe der älteren Tochter hat das Amtsgericht zuletzt nach dem Antrag auf Festsetzung von Ordnungsmitteln von sich aus den Verfahrensbevollmächtigten der Mutter darauf hingewiesen, dass es deren Bemühungen um eine "Berichtigung" der Senatsentscheidung nunmehr als Abänderungsantrag betreffend die elterliche Sorge verstehe und ein entsprechendes Verfahren einleite. Sodann hat es im Hinblick auf dieses neue Hauptsacheverfahren betreffend die elterliche Sorge, für welches es der Mutter auch Verfahrenskostenhilfe (VKH) bewilligt hat und in dem bereits die Einholung eines psychologischen Gutachtens angeordnet ist, die Vollstreckung des Herausgabebeschlusses durch - ausdrücklich betont: unanfechtbaren - Beschluss vom 9. Februar 2022 einstweilen bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren (gemeint ist dabei offenkundig das neue SO-Verfahren) eingestellt. An die...

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