Verfahrensgang
LG Lüneburg (Aktenzeichen 2 O 157/16) |
Tenor
1. Es wird erwogen, die Berufung des Beklagten gegen das am 23. August 2017 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Der Beklagte erhält Gelegenheit, binnen drei Wochen zu der beabsichtigten Verfahrensweise Stellung zu nehmen.
3. Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 500.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Klägerin macht [...] einen Anspruch auf Schmerzensgeld aufgrund fehlerhafter ärztlicher Behandlung des am 17.03.2016 verstorbenen [...] geltend.
Hinsichtlich der erstinstanzlichen tatsächlichen Feststellungen wird Bezug genommen auf das angefochtene Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 23. August 2017 (Bl. 281 ff. d. A.).
Das Landgericht hat nach Einholung eines schriftlichen Gutachtens vom 07.02.2017 und dessen mündlicher Erläuterung durch den Sachverständigen Prof. Dr. S. sowie Anhörung der Klägerin einen groben Behandlungsfehler des Beklagten bejaht und diesen zu einer Zahlung von 500.000,00 EUR Schmerzensgeld sowie vorgerichtlicher Kosten, jeweils nebst Zinsen, verurteilt. Der Beklagte habe in grober Weise gegen den medizinischen Facharztstandard verstoßen. Das intramuskuläre Verabreichen der Medikamente Solu-Decortin und Diclofenac sei bereits behandlungsfehlerhaft. Die gleichzeitige Verabreichung der vorgenannten Medikamente entspräche nicht dem fachlichen medizinischen Standard, widerspreche den gängigen Leitlinienempfehlungen und erhöhe das allgemeine Risiko eines Spritzenabszesses. Der Beklagte könne die streitgegenständliche Behandlung nicht damit rechtfertigen, dass der Patient seit vielen Jahren derartige Injektionen bei Rückenschmerzen erhalten und deshalb eine solche Behandlung ausdrücklich gewünscht habe. Die - von Arzt und Patient gewünschte - schnelle Schmerzreduktion sei nach den Ausführungen des Sachverständigen mit Diclofenac auch durch die orale oder rektale Gabe zu erreichen. Die damit einhergehende geringe zeitliche Verzögerung der Wirkung sei bei der Abwägung der Risiken einer Injektion im Allgemeinen zu vernachlässigen. Danach vermöge auch ein noch so nachdrücklich vorgebrachter Patientenwunsch schon die einmalige Behandlung von Rückenschmerzen mittels Injektionen von Diclofenac (und erst recht die viermalige Injektion innerhalb einer Woche) nicht zu rechtfertigen. Danach sei der Vortrag des Beklagten zur hypothetischen Einwilligung des Patienten in eine solche Behandlung unbeachtlich.
Zur Kausalität hat das Landgericht ausgeführt, dass der Beklagte den nicht zu führenden Beweis erbringen müsste, dass die Behandlung nicht kausal für die Erkrankung des Patienten gewesen sei. Abgesehen hiervon habe die Kammer keinen Zweifel daran, dass es eine vom Beklagten gesetzte Spritze war, die zu der schweren Sepsis geführt habe, die für das gesamte Krankheitsgeschehen ursächlich gewesen sei. Die Spritzen in den Gesäßmuskel seien grundsätzlich - auch bei Einhalten der Hygienekautelen - geeignet, eine Infektion hervorzurufen. Durch die mehrfachen Injektionen von Diclofenac und Solu-Decortin sei das Gewebe vorgeschädigt gewesen, was einen Infekt durch Keime begünstige. Konkrete Anhaltspunkte für eine andere Ursache der Sepsis seien nicht ersichtlich. Nur fünf Tage nach der letzten vom Beklagten gesetzten Injektion habe es im Bereich der Einstichstelle deutliche Hinweise auf ein Infektionsgeschehen in diesem Bereich gegeben. Phlegmonöse Entzündungen des Subkutangewebes bei Infektionen verursacht durch den beim Patienten identifizierten streptococcus pyogenes seien nach den Erklärungen des Sachverständigen typisch, wobei eine lokale Infektion zu einer Sepsis führen könne. Der Sachverständige habe in der mündlichen Verhandlung anschaulich erklärt, dass aus seiner Sicht kein Zweifel daran bestehen könne, dass durch die vom Beklagten gesetzten Injektionen das septische Geschehen verursacht worden sei. Dass die Möglichkeit des Beweises bestehe, die Sepsis des Patienten und der damit einhergehende Krankheitsverlauf sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht auf die Behandlung des Beklagten zurückzuführen, behaupte auch der Beklagte nicht.
Die Kammer hat ein Schmerzensgeld in Höhe von 500.000,00 EUR für angemessen erachtet. [...]. Sodann gibt das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung den Verlauf der Behandlung und die körperlichen Beschwerden sowie die extreme psychische Belastung einschließlich depressiver Symptomatik und Angstattacken wieder und führt weiter aus: [...]. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes sei zu berücksichtigen, dass der Patient bewusst das Leid seiner Ehefrau und seiner Kinder habe ertragen müssen. [...]. Sodann hat sich das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung mit der obergerichtlichen Rechtsprechung zu Schmerzensgeldern in der Größenordnung von 500.000,00 EUR auseinandergesetzt. Der Bundesgerichtshof habe deutlich gemacht, dass eine wesentliche Ausprägung des immateriellen Schadens darin besteh...