Leitsatz (amtlich)
1. Die missbräuchliche Verwendung einer sogenannten Tankkarte, die dem Kraftfahrer von seinem Arbeitgeber zur Betankung der Arbeitsfahrzeuge überlassen wird, stellt keine Untreue im Sinne des § 266 StGB dar.
2. Die ohne Hinweis auf die missbräuchliche Verwendung erfolgende Einreichung der die Tankvorgänge dokumentierenden Belege beim Arbeitgeber, um diesem die Möglichkeit der Abgleichung mit den eingehenden Rechnungen der den Kraftstoff zur Verfügung stellenden Unternehmen zu ermöglichen, stellt indessen eine Täuschung dar. Verzichtet der Arbeitgeber infolge der Unkenntnis der missbräuchlichen Verwendung auf die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Arbeitnehmer, vermag dies einen Forderungsbetrug im Sinne des § 263 StGB zu begründen.
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Anklage der Staatsanwaltschaft Hildesheim vom 27. Oktober 2009 wird zugelassen und das Hauptverfahren vor der nach dem aktuellen Geschäftsverteilungsplan zuständigen großen Strafkammer des Landgerichts mit der Maßgabe eröffnet, dass die Angeschuldigten angeklagt werden, in der Zeit vom 3. Dezember 2007 bis zum 30. September 2008 in L.
- der Angeschuldigte S. durch 3 Straftaten
- der Angeschuldigte R. durch 2 Straftaten
- der Angeschuldigte K. durch 5 Straftaten
- der Angeschuldigte K. durch 3 Straftaten
- der Angeschuldigte S. durch 1 Straftat
- der Angeschuldigte L. durch 4 Straftaten
jeweils in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt zu haben, dass sie durch Vorspiegelung falscher Tatsachen einen Irrtum erregten, indem sie zeitlich auf die in der Anklage näher beschriebenen Tankvorgänge folgend die dabei erhaltenen Tankbelege/Quittungen bzw. erstellte Eigenbelege bei der Firma B. GmbH einreichten und dabei in Kenntnis ihres vertragswidrigen Verhaltens konkludent zum Ausdruck brachten, die auf den Belegen bzw. Quittungen ersichtlichen Tankvorgänge seien ausschließlich innerhalb der arbeitsvertraglichen Vorgaben erfolgt, um die Firma B. GmbH erfolgreich davon abzuhalten, nach der jeweils zu einem Monatsende erfolgten Abrechnung die ihr zustehenden Regressansprüche gegen die Angeschuldigten geltend zu machen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Angeklagten.
Gründe
I. Mit der Anklage vom 27. Oktober 2009 legt die Staatsanwaltschaft Hildesheim den nunmehr Angeklagten zur Last, in der Zeit vom 3. Dezember 2007 bis zum 26. September 2008 in C., D. und L. die ihnen durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, einen anderen zu verpflichten, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen sie zu betreuen hatten, Nachteil zugefügt zu haben, wobei die Angeklagten mit Ausnahme des Angeklagten S. gewerbsmäßig gehandelt hätten. Hierzu sollen sie - in verkürzter Darstellung - mittels ihnen von der Firma B. T. L. (B.) GmbH in L. überlassener Tankkarten abredewidrig die Möglichkeit ausgenutzt haben, durch Tankvorgänge an Tankstellen der Firma S. bzw. A. für die B. GmbH Verbindlichkeiten einzugehen, ohne den hierfür erhaltenen Kraftstoff für die von ihnen geführten Fahrzeuge der B. GmbH zu nutzen, sondern fremden Lkw-Fahrern gegen Zahlung von Beträgen, die die Angeklagten für sich behalten haben, zur Verfügung gestellt zu haben. Dem Angeklagten K. wurden 27 Straftaten, dem Angeklagten S. 15, dem Angeklagten L. 13, dem Angeklagten K. 9, dem Angeklagten R. 5 und dem Angeklagten S. 2 Taten zur Last gelegt. Der der B. GmbH durch Begleichung der in regelmäßigen Abständen eingehenden Rechnungen der Firmen S. und A. entstandene Schaden betrug insgesamt 37.545,61 €. Hinsichtlich der näheren Umstände der einzelnen Taten wird insoweit auf den Inhalt der Anklageschrift Bezug genommen.
Die 9. große Strafkammer des Landgerichts Hildesheim hat mit Beschluss vom 14. April 2010 die Eröffnung des Hauptverfahrens aus rechtlichen Gründen abgelehnt. Die den Angeklagten vorgeworfenen Handlungen seien unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt strafbar.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 29. April 2010. Der Senat hat weitere Nachforschungen durch die Staatsanwaltschaft vornehmen lassen. Die Angeklagten hatten rechtliches Gehör.
II. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft ist zulässig (§§ 210 Abs. 2, 311 StPO) und führt auch in der Sache zum Erfolg. Die Anklage war nach Maßgabe der sich aus dem Tenor ergebenden Änderungen zuzulassen und das Hauptverfahren zu eröffnen. Die Angeklagten sind der ihnen zur Last gelegten Taten hinreichend verdächtig.
1. Es trifft die Ansicht der Kammer indessen zu, dass das den Angeklagten zur Last gelegte Verhalten keine Untreue in Form des Missbrauchstatbestandes gemäß § 266 Abs. 1, 1. Alt. StGB darstellt. Zwar haben die Angeklagten nach gegenwärtiger Beurteilung die ihnen eingeräumte Befugnis, ihren Arbeitgeber mittels Einsatz der Tankkarten finanziell zu verpflichten, missbraucht, in dem sie mehrfach Lkw von fremden Fahrern gegen Barzahlung durch Einsat...