Entscheidungsstichwort (Thema)

Nebenforderung im Sinne § 43 Abs. 1 GKG

 

Leitsatz (amtlich)

Bei den durch die vorprozessuale Beauftragung des Rechtsanwalts entstandenen Kosten handelt es sich um eine Nebenforderung, die nach § 43 Abs. 1 GKG nicht streitwerterhöhend wirkt, solange die der Beauftragung zugrunde liegende Forderung Gegenstand des Prozesses ist.

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Anspruch auf Erstattung der vorprozessual entstandenen Anwaltskosten ist eine Nebenforderung im Sinne § 43 Abs. 1 GKG.

 

Normenkette

GKG § 39 Abs. 1, § 43 Abs. 1; ZPO §§ 4, 91

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Aktenzeichen 23 O 38/11)

 

Tenor

Auf die Streitwertbeschwerde werden der Beschluss der Zivilkammer 23 (3. KfH) das LG Hannover abgeändert und der Gebührenstreitwert auf 34.700 EUR festgesetzt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Das LG hat bei der Streitwertbemessung den auf Erstattung der vorgerichtlich i.H.v. 1.099 EUR entstandenen Rechtsanwaltskosten gerichteten Klageantrag werterhöhend berücksichtigt. Es hat dazu die Auffassung vertreten, dass es sich bei dem bezifferten Verzugsschaden nicht um eine Nebenforderung im Sinne § 4 Abs. 2 ZPO handele. Aufgrund der Bestimmung des § 15a RVG könne ferner nicht mehr darauf abgestellt werden, dass der Rechtsanwalt dem "Zwangsabzug" im Kostenfestsetzungsverfahren nur dadurch entgehen könne, dass er seine abzusetzenden Gebühren als gesonderten materiellen Schadensersatz und Teil der Klageforderung geltend mache. Hinzu komme hier, dass die Klägerin von der Notwendigkeit einer Klage angesichts der vorprozessualen Weigerungshaltung der Beklagten habe ausgehen müssen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Streitwertbeschwerde, mit der sie eine Herabsetzung des Gebührenstreitwerts auf den Wert der Hauptforderung von

34.700 EUR erreichen möchte. Sie hält den Streitwertbeschluss wegen § 4 Abs. 2 ZPO für fehlerhaft.

II.1. Die Beschwerde ist nach § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Der Wert der erforderlichen Beschwer wird erreicht. Durch die Addition des Wertes der beiden Klageanträge wird die nächste Gebührenstufe von 830 EUR erreicht. Dadurch entsteht bei den von der im Rechtsstreit unterlegenen Klägerin zu tragenden Gerichts- und Anwaltsgebühren ein Gebührenunterschied von mehr als 200 EUR.

2. Die Beschwerde ist begründet. Zu Unrecht hat das LG den Wert des auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten gerichteten Klageantrags bei der Streitwertberechnung berücksichtigt (§ 43 Abs. 1 GKG).

a) Grundsätzlich ist zwar der Wert der beiden kumulativ gestellten Anträge nach § 39 Abs. 1 Halbs. 1 GKG zusammenzurechnen.

b) Etwas anderes ergibt sich indessen aus § 43 Abs. 1 GKG, wonach Kosten, die als Nebenforderungen geltend gemacht werden, nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen sind. So liegt es hier.

aa) Unter Nebenforderungen im Sinne § 43 Abs. 1 GKG fallen die zur Feststellung, Sicherung, Durchsetzung oder Abwehr des Anspruchs erbrachten Vermögensopfer, soweit sie in der Entstehung vom Bestand einer Hauptforderung rechtlich abhängen und mit dieser gemeinsam von derselben Partei gegen denselben Schuldner im selben Prozess geltend gemacht werden (Wöstmann in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 4 Rz. 2 und 26; Putzo/Hüsstege, ZPO, 33. Aufl., § 4 Rz. 8). Ob ein miteingeklagter Anspruch Nebenforderung ist, kann nur aus seinem Verhältnis zu dem als Hauptforderung in Betracht kommenden Anspruch heraus beurteilt werden. Zur Hauptforderung muss die Nebenforderung in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen, sie muss von ihr sachlich-rechtlich abhängen. Sind die Forderungen dagegen nach materiellem Recht - auch im Hinblick auf ihre Entstehung - gleichrangig, so ist keine von ihnen Nebenforderung. Dabei kommt es auf dasjenige materielle Recht an, das für den jeweiligen Streitgegenstand maßgeblich ist (BGH, Beschl. v. 13.2.2007 - VI ZB 39/06, juris Rz. 9).

Der auf eine materiell-rechtliche Grundlage gestützte Anspruch auf Erstattung von Kosten, die vor Einleitung des Prozesses zu seiner Vorbereitung aufgewandt worden sind, stellt neben dem im gleichen Verfahren geltend gemachten Hauptanspruch eine dessen Streitwert nicht erhöhende Nebenforderung i.S.d. § 4 ZPO dar (vgl. BGH, Beschl. v. 23.1.2008 - IV ZB 8/07, juris Rz. 4; Beschluss vom

30.1.2007 - X ZB 7/06, Rz. 7; Beschl. v. 4.12.2007 - VI ZB 73/06, juris Rz. 5). Dies gilt auch für § 43 Abs. 1 GKG (vgl. BGH, Beschl. v. 9.2.2012 - I ZR 142/11, juris Rz. 5; a.A. LG Aachen, Beschluss vom 26.10.2005 - 5 T 223/05, juris Rz. 2; Meyer, GKG/FamGKG, 13. Aufl., § 43 Rz. 9).

bb) Der Umstand, dass die Klägerin die Kostenerstattung als Verzugsschaden geltend macht, steht der Behandlung als Nebenforderung im Sinne § 43 Abs. 1 GKG nicht entgegen. Anspruchsvoraussetzung des materiell-rechtlichen Kostenersatzverlangens ist das Bestehen einer sachlich-rechtlichen Anspruchgrundlage, nämlich dass der Schuldner wegen einer Vertragsverletzung, Verzugs oder sonstigen Rechtsverletzung für den adäquat verursachten ...

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