Entscheidungsstichwort (Thema)
Gegenstand der Überprüfung im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG, Nachschieben von Gründen
Leitsatz (amtlich)
1. Der Überprüfung durch den Senat im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG unterliegt nicht der Bescheid der Staatsanwaltschaft, sondern die Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft, wenn sie auf die Vorschaltbeschwerde des Antragstellers hin eine eigene abschließende Sachentscheidung unter Ausübung ihres Ermessens getroffen hat.
2. Bei Ermessensentscheidungen ist eine spätere Ergänzung der Ermessensbegründung des Justizverwaltungsaktes auch im gerichtlichen Verfahren grundsätzlich möglich. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die nachträglich von der Vollstreckungsbehörde angegebenen Gründe schon bei Erlass des Justizverwaltungsaktes vorlagen, der Justizverwaltungsakt durch sie in seinem Wesen nicht geändert und der hiervon Betroffene nicht in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt wird.
3. Die AV des niedersächsischen Justizministeriums zum Absehen von der Strafverfolgung und von der Strafvollstreckung bei Nichtdeutschen (§§ 154 b, 456 a StPO) vom 16.12.2009 (Nds.MBl. Nr. 1/2010 S. 41) wie auch die Vorgänger AV vom 30.06.2005 (Nds.MBl. S. 625) sind Verwaltungsvorschriften, die die Ermessensausübung der Verwaltung für zahlreiche gleich oder ähnlich gelagerte Fälle vereinheitlichend steuern sollen. Sie bewirken für den Regelfall eine rechtliche Bindung des Ermessens, ihnen kommt jedoch nicht der Charakter einer Rechtsnorm zu.
Normenkette
GVGEG §§ 23, § 23 ff.; StPO §§ 154b, 465a
Tenor
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird auf Kosten des Antragstellers als unbegründet verworfen.
Der Geschäftswert wird auf 500 € festgesetzt.
Gründe
I.
Das Landgericht Hannover verurteilte den Antragsteller am 15.07.1999 wegen Mordes in Tateinheit mit schwerem Raub zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Antragsteller, gemeinsam mit fünf weiteren Personen, am frühen Morgen des 24.03.1997 dem Geschädigten P. auflauerte, als dieser nachts von der Jagd nach Hause kam. Die Täter drängten auf den Geschädigten ein, dieser wehrte sich und gab zwei Schüsse ab, von denen einer den Antragsteller traf. Die Täter schlugen und traten sodann auf den Geschädigten ein, bis dieser zusammenbrach, fesselten ihn und zwangen ihn auch unter Einsatz eines mitgeführten Elektroschockgerätes, das Versteck seines Vermögens im Hause preiszugeben. Aus dem sodann von den Tätern geöffneten Tresor entnahmen diese Bargeld in Höhe von 30.000 DM, Wertpapiere, Schmuck, eine Armbanduhr und weitere Gegenstände. Der Geschädigte P. verstarb an den ihm zugefügten massiven Verletzungen.
Der Antragsteller wurde im November 1997 in Frankreich festgenommen und verbüßte dort zunächst Strafhaft. Danach befand er sich in Auslieferungshaft und später bis zur Rechtskraft des Urteils am 27.04.2000 in Untersuchungshaft. Die Strafhaft wird seit dem 27.04.2000 vollzogen, 15 Jahre der lebenslangen Freiheitsstrafe werden am 18.09.2013 vollstreckt sein.
Gegen den Antragsteller, der rumänischer Staatsangehöriger ist und der in Deutschland keine Angehörigen hat, besteht eine bestandskräftige Ausweisungsverfügung der Stadt C. vom 04.10.2000.
Mit Schriftsatz vom 11.10.2012 hat der Verurteilte zum wiederholten Mal beantragt, von der weiteren Vollstreckung der Freiheitsstrafe gemäß § 456 a StPO abzusehen. Er macht geltend, dass sein Vater während der Haftzeit verstorben sei und er seine nunmehr 75-jährige, schwer kranke Mutter seit seinem Haftantritt nicht mehr gesehen habe. Er habe mittlerweile mehr als 14 Jahre der Freiheitsstrafe verbüßt, Lockerungen seien ihm nicht gewährt worden. Er habe in der Bundesrepublik Deutschland keine persönlichen Kontakte und sei auf seltene Besuche seiner Ehefrau angewiesen. Im Vollzug habe er sich im Wesentlichen beanstandungsfrei geführt. Zudem werde er durch die seit dem 01.01.2010 geltende Neufassung der AV des niedersächsischen MJ zum Absehen von der Strafverfolgung und von der Strafvollstreckung bei Nichtdeutschen benachteiligt. Die bis zum 31.12.2009 geltende alte Fassung der AV habe bei lebenslanger Freiheitsstrafe nur eine Mindestverbüßungszeit von 10 Jahren vorgesehen, die in der Neufassung auf 15 Jahre heraufgesetzt worden sei. Vor Inkrafttreten der Neufassung der AV habe er jedoch keinen Antrag nach § 456 a StPO stellen können, weil bis zum 17.12.2009 gegen ihn ein Strafverfahren wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln geführt worden sei, welches am 17.12.2009 mit einem Freispruch geendet habe und während dessen Dauer ein Antrag nach § 456 a StPO aussichtslos gewesen wäre.
Diesen Antrag wies die Staatsanwaltschaft Hannover am 23.10.2012 mit der Begründung zurück, dass eine Entscheidung auf Absehen der Vollstreckung nach § 465 a StPO in der Regel nicht vor Verbüßung von 15 Jahren in Betracht komme und die vorgetragenen Gründe für ein Abweichen von dieser Regel nicht ausreichten. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers wies die Generalstaatsanwaltschaft mit dem ...