Normenkette
EGGVG §§ 23 ff.
Tenor
Auf den Antrag des H. Z. auf gerichtliche Entscheidung werden die Bescheide der Staatsanwaltschaft X. vom 13.11.2012 und der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe vom 27.12.2012 - 4 Zs 2369/12 - aufgehoben.
Die Staatsanwaltschaft X. wird verpflichtet, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.
Das Verfahren ist gebührenfrei. Die Staatskasse trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.
Der Geschäftswert wird auf 3.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller - niederländischer Staatsangehöriger - verbüßt eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren, die das Landgericht X. durch das Urteil vom 22.06.2010 wegen vier Fällen des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gegen ihn verhängt hat. Zwei Drittel der Strafe waren bereits am 26.09.2012 verbüßt.
Am 05.05.2011 erließ das Landratsamt D. gegen den Antragsteller einen - inzwischen bestandskräftigen - Bescheid, in welchem der Verlust seines Rechts auf Einreise und Aufenthalt in der Bundesrepublik für die Dauer von 10 Jahren festgestellt ist.
Die Staatsanwaltschaft X. lehnte zuletzt mit Bescheid vom 13.11.2012 ein Absehen von der weiteren Vollstreckung gemäߧ 456a Abs. 1 StPO ab, welches der Antragsteller durch seine Verteidigerin am 19.09.2012 beantragt hatte. Die Beschwerde des Antragstellers vom 28.11.2012 wies die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe mit Bescheid vom 27.12.2012 zurück. Sie hat sich im Ergebnis der Einschätzung der Staatsanwaltschaft X. angeschlossen, einer Entscheidung gemäß § 456a StPO stehe das Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit entgegen. Bei dem Verurteilten bestehe ein beträchtliches Rückfallrisiko, das deshalb von Bedeutung sei, weil der Antragsteller nicht dauerhaft davon absehen werde, wieder nach Deutschland zurückzukehren. Außerdem würde ein Vollstreckungsverzicht angesichts der Schwere der Tat in der Bevölkerung auf Unverständnis stoßen.
Hiergegen richtet sich der am 25.01.2013 eingegangene Antrag des Verurteilten auf gerichtliche Entscheidung.
II.
Der zulässige Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 23 EGGVG ist begründet.
Entscheidungen der Staatsanwaltschaft über ein Absehen von der Strafvollstreckung gemäß § 456a Abs. 1 StPO sind Justizverwaltungsakte, deren Anfechtung sich nach den §§ 23ff. EGGVG richtet (Meyer-Goßner StPO, 52. Aufl., Rn 9 zu § 456a; Rn 16 zu § 23 EGGVG; KK-Schoreit, StPO, 6. Aufl., Rn 93 zu § 23 EGGVG m.w.N.), die jedoch nicht unbeschränkter gerichtlicher Nachprüfung unterliegen, denn § 456a Abs. 1 StPO räumt der Staatsanwaltschaft einen Ermessensspielraum ein. Die Kontrolle des Senats ist gemäß § 28 Abs. 3 EGGVG grundsätzlich auf die Prüfung beschränkt, ob die angefochtene Ermessensentscheidung rechtsfehlerfrei getroffen wurde, ob die Vollstreckungsbehörde von einem vollständig ermittelten und zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist, ob sie die Grenzen des Ermessens eingehalten hat und ob sie von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Dabei unterliegt die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde der Überprüfung des Senats in der Gestalt, die sie durch das Vorschaltverfahren mit dem Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft erlangt hat.
Bei der Entscheidung gemäß § 456a StPO sind, wie der Senat schon wiederholt ausgeführt hat, die besonderen Umstände der Tat, die Schwere der Schuld, die Dauer der bisherigen Strafverbüßung, die persönliche Lage des Antragstellers und das öffentliche Interesse an einer nachhaltigen Strafvollstreckung zu berücksichtigen und zusammenfassend zu würdigen (Senat StraFo 2009, 83; KK-Appl, StPO, 6. Auflage, Rn 3a zu § 456a m.w.N.). Dies erfordert, dass die Vollstreckungsbehörde für den Betroffenen und für das Gericht ersichtlich machen muss, welche Überlegungen sie bei der Abwägung angestellt hat und welche Gründe für die getroffene Entscheidung maßgeblich gewesen sind (KG StV 2009, 594; OLG Hamm B. vom 06.11.2012, 1 VAs 104/12 in [...]).
Als Ermessensrichtlinie dient in Baden-Württemberg die im Interesse gleichmäßiger Handhabung des § 456a StPO erlassene Verwaltungsvorschrift des Justizministeriums Baden-Württemberg über das Absehen von der Vollstreckung bei Ausländern, die ausgeliefert oder ausgewiesen werden sollen, zuletzt neu gefasst am 29.06.2011, Justiz 2011, 197ff. Diese von der ihr vorgesetzten Behörde erlassene Verwaltungsvorschrift begrenzt das Ermessen der Staatsanwaltschaft bei der Anwendung des § 456a StPO. Zwar fordert sie keine schematische Anwendung im Einzelfall, doch setzt sie Maßstäbe, die der Gleichbehandlung ausgewiesener Verurteilter dienen. Diese Maßstäbe sind, gemessen an dem Regelungszweck des § 456a StPO, unzweifelhaft sachgerecht. Der durch § 456a Abs. 1 StPO eröffneten Möglichkeit, von der Vollstreckung abzusehen, und der damit gesetzlich vorgesehenen vorläufigen Besserstellung des ausgewiesenen Straftäters neben der Entlastung des Strafvollzuges (OLG Hamm aaO und 1 VAs 70/05 B. v. 05.01.2006...