Entscheidungsstichwort (Thema)
Mehrkosten im Rahmen der Umbeiordnung eines Pflichtverteidigers
Leitsatz (amtlich)
1. Die durch den Begriff der Mehrkosten bei einer Umbeiordnung geschützten Fiskalinteressenreichen nicht weiter, als wenn der Beschuldigte den jetzt gewählten Verteidiger von vornherein bezeichnet hätte und dieser hätte beigeordnet werden können (Anschluss an OLG Oldenburg, Beschluss vom 21.03.2017, 1 Ws 122/17).
2. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass nach dem 2. Opferrechtsreformgesetz vom29.07.2009 das Kriterium der Gerichtsnähe des Verteidigers i.d.R. keine entscheidende Voraussetzung für die Verteidigerbestellung mehr ist, ist der Mehrkostenbegriff bei einer Umbeiordnung dahingehend auszulegen, dass diejenigen Gebührenpositionen ausgeschlossen werden sollen, die durch die Umbeiordnung doppelt entstehen.
Normenkette
StPO § 143; RVG § 48 Abs. 1; RVG-VV Nrn. 7003, 7005
Verfahrensgang
LG Hannover (Entscheidung vom 10.12.2018; Aktenzeichen 33 Qs 76/18) |
AG Hannover (Entscheidung vom 18.10.2018; Aktenzeichen 222 Ds 406/17) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Verteidigers werden die Beschlüsse der 3. großen Strafkammer des Landgerichts Hannover vom 10.12.2018 und des Amtsgerichts Hannover vom 18.10.2018 aufgehoben sowie die Kostenfestsetzungsentscheidung des Amtsgerichts Hannover vom 19.09.2018 dahingehend abgeändert, dass die Pflichtverteidigervergütung auf 1265,92 € festgesetzt wird.
Das Verfahren über die Erinnerung und die Beschwerde ist gebührenfrei. Notwendige Auslagen werden
nicht erstattet.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Hannover hatte mit Beschluss vom 03.01.2018 einen ortsansässigen Verteidiger zum Pflichtverteidiger des Angeklagten bestellt. Mit Beschluss vom 05.02.2018 entpflichtete das Amtsgericht den ortsansässigen Verteidiger und ordnete den jetzigen Verteidiger, der seinen Kanzleisitz in G. hat, unter dem Hinweis bei, dass durch die Umbeiordnung entstehende Mehrkosten nicht erstattet werden. Die Beschwerde des jetzigen Verteidigers verwarf das Landgericht Hannover mit Beschluss vom 16.04.2018 unter anderem mit der Begründung, dass die erfolgte Umbeiordnung nur möglich gewesen sei, wenn der Staatskasse keine Mehrkosten entstehen.
Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 06.09.2018 begehrte der jetzige Verteidiger die Gebührenfestsetzung in Höhe von 1265,92 €. Durch Entscheidung der Kostenbeamtin vom 19.09.2018 wurden auf diesen Antrag 785,40 € festgesetzt und angewiesen, wobei Fahrtkosten für drei Hauptverhandlungstermine in Höhe von jeweils 99,60 € (Nr. 7003 VV RVG) und Abwesenheitsgeld in Höhe von einmal 25 € (Nr. 7005/1 VV RVG) und zweimal 40 € (Nr. 7005/2 VV RVG) nebst anteiliger Umsatzsteuer in Abzug gebracht wurden. Diese Kostenpositionen seien lediglich durch die Umbeiordnung entstanden, da der Verteidiger aus G. komme und nicht wie der vormalige Verteidiger aus H.
Gegen diese Entscheidung legte der Verteidiger Erinnerung ein, die mit Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 18.10.2018 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde des Verteidigers verwarf das Landgericht Hannover mit Beschluss vom 10.12.2018 und ließ zugleich die weitere Beschwerde zu. Mit der weiteren Beschwerde vom 21.01.2019 verfolgt der Verteidiger sein Begehren der vollständigen Festsetzung weiter.
II.
Die weitere Beschwerde ist zulässig, insbesondere gemäß §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 6 Satz 1 und 4, Abs. 3 Satz 3 RVG fristgerecht eingelegt. Zwar wurde der Beschluss des Landgerichts vom 10.12.2018 bereits am 18.12.2018 an den Verteidiger übersandt und die weitere Beschwerde ging erst am 21.01.2019 beim Landgericht ein. Dies führt aber vorliegend nicht zur Unzulässigkeit der Beschwerde. Das Landgericht hat trotz fristgebundener Beschwerdemöglichkeit gegen den Beschluss keine Zustellung verfügt, sondern diesen gem. Verfügung vom 18.12.2018 lediglich formlos übersandt. Da eine Zustellung von Amts wegen zu erfolgen hat, aber eine Zustellung des Beschlusses vorliegend nicht beabsichtigt war, wurde die Beschwerdefrist nicht in Lauf gesetzt. Es konnte auch keine Heilung gem. §§ 37 Abs. 1 StPO, 189 ZPO eintreten, denn diese setzt eine fehlgeschlagene Zustellung mit Zustellungswillen des Gerichts voraus (vgl. BGH, Beschluss vom 26.11.2002, VI ZB 41/02 und Urteil vom 07.12.2010, VI ZR 48/10; OLG Brandenburg, Urteil vom 16.01.2019, 7 U 104/16; Wittschier in: Musielak, ZPO, 11. Auflage, 2014, § 189 ZPO, Rn. 2; Schultzky in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Auflage, 2018, § 189 ZPO, Rn. 2).
In der Sache hat die weitere Beschwerde Erfolg.
Zutreffend stellt die Kammer im Ausgangspunkt darauf ab, dass sich der Vergütungsanspruch nach dem Beiordnungsbeschluss bestimmt, § 48 Abs. 1 RVG. Durch diesen wurde vorliegend eine Erstattung der durch die Umbeiordnung entstandenen Mehrkosten ausgeschlossen. Von dem auslegungsfähigen Begriff der "Mehrkosten" sind die hier geltend gemachten Positionen der Fahrtkosten und des Abwesenheitsgeldes jedoch nicht erfasst. Mit dem Begriff der Mehrkosten werden Fiskalinteressen geschützt...