Leitsatz (amtlich)
Das selbständige Beweisverfahren ist nach Ablauf einer gem. § 411 Abs. 4 ZPO gesetzten Frist zur Stellungnahme zu dem übersandten Gutachten des Sachverständigen nur dann mit Präklusionswirkung beendet, wenn die richterliche Fristsetzung ordnungsgemäß zugestellt worden ist und die Partei auch auf die Folgen einer Nichtbeachtung der Frist ordnungsgemäß hingewiesen worden ist (BGH NJW-RR 2006, 119).
Normenkette
ZPO § 411 Abs. 4
Verfahrensgang
LG Lüneburg (Beschluss vom 02.02.2009; Aktenzeichen 4 OH 7/07) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des LG Lüneburg - Einzelrichter der 4. Zivilkammer - vom 2.2.2009 aufgehoben.
Gründe
I. Das LG übersandte den Parteien das im selbständigen Beweisverfahren eingeholte Gutachten des Sachverständigen mit Verfügung vom 17.10.2008, die auch zugestellt wurde, und setzte eine Frist zur Stellungnahme
"zu dem Gutachten gem. § 411 Abs. 4 ZPO binnen 3 Wochen", ohne dass
die Partei auf die Folgen einer Nichtbeachtung der Frist hingewiesen wurde.
Auf Antrag verlängerte das Gericht diese Frist für die Antragsgegnerin bis zum 1.12.2008. Mit fristgerechtem Schriftsatz vom 1.12. erhob die Antragsgegnerin Einwendungen gegen das Gutachten und beantragte die Einholung eines Obergutachtens. Nach Hinweis des LG darauf, dass der Antrag auf eine Neubegutachtung unbegründet und das Beweisverfahren beendet sei, stellte die Antragsgegnerin mit weiterem Schriftsatz vom 19.12.2008 klar, dass sie in diesem Fall eine schriftliche Ergänzung des Gutachtens zu den bereits mitgeteilten Einwendungen beantrage. Mit Beschluss vom 2.2.2009 stellte das LG fest, das selbständige Beweisverfahren sei beendet, weil ein Antrag auf Anhörung des Sachverständigen innerhalb der gesetzten und verlängerten Frist nicht gestellt worden sei. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin, der das LG nicht abgeholfen hat.
II. Die gem. § 567 ZPO zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Das Beweisverfahren ist entgegen der Auffassung des LG nicht beendet, so dass im Ergebnis das LG über den Ergänzungsantrag der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 19.12.2008 nach Maßgabe des Schriftsatzes vom 1.12.2008 zu entscheiden haben wird.
Im Ausgangspunkt zutreffend hat das LG allerdings darauf abgestellt, dass das Beweisverfahren im Falle einer nach § 411 Abs. 4 Satz 2 ZPO gesetzten Frist zur Stellungnahme mit Fristablauf beendet ist (BGHZ 150, 55). Diese Voraussetzungen sind hier aber nicht erfüllt.
Die Antragsgegnerin hat zwar mit Schriftsatz vom 1.12.2008 fristgerecht Einwendungen gegen das Gutachten des Sachverständigen vorgebracht, allerdings gerade keine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen oder eine mündliche Erläuterung seines Gutachtens gewünscht, sondern die Einholung eines Obergutachtens beantragt. Dieser Antrag war - worauf das LG ebenso zutreffend hingewiesen hat - unbegründet, denn die Voraussetzungen für eine Neubegutachtung lagen ersichtlich nicht vor. Es kann auch offen bleiben, ob man nicht unter den gegebenen Umständen den Schriftsatz der Antragsgegnerin wenigstens hilfsweise dahin auslegen könnte, dass dann wenigstens die Erläuterung des Gutachtens durch den Sachverständigen beantragt werde, denn die Fristsetzung durch das LG war bereits aus formalen Gründen unwirksam.
Zwar ist sie ordnungsgemäß nach § 329 Abs. 2 Satz 2 ZPO zugestellt worden und war auch vom Richter mit vollem Namen unterzeichnet. Allerdings kann die Fristsetzung nach §§ 411 Abs. 4 Satz 2, 296 Abs. 1 ZPO nach der Rechtsprechung des BGH (NZBau 2006, 119 = NJW-RR 2006, 428, zitiert nach juris. ebenso OLG Celle, 14. Zivilsenat, IBR 2008, 246) nur dann die Präklusionswirkung nach Ablauf der richterlichen Frist herbeiführen, wenn bei der Partei keine Fehlvorstellungen über diese Wirkung aufkommen können. Das setzt aber nach der Rechtsprechung voraus, dass die Partei auf die Folgen einer Nichtbeachtung der Frist ordnungsgemäß hingewiesen wurde. Daran fehlt es hier, denn die Fristsetzung enthielt keinen Hinweis auf den Ausschluss eines erst nach Ablauf der Frist eingehenden Vorbringens (BGH, a.a.O., Rz. 8).
Damit war die jedenfalls mit Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 19.12.2008 erfolgte "Klarstellung", dass zumindest die ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen zu den zuvor bereits geltend gemachten Einwendungen beantragt werde, nicht verspätet und durfte nicht zurückgewiesen werden. Das LG wird deshalb unter Beachtung der Gründe dieses Beschlusses erneut zu entscheiden haben.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil im selbständigen Beweisverfahren grundsätzlich keine Kostenentscheidungen ergehen.
Fundstellen
Haufe-Index 2133515 |
BauR 2009, 864 |
NJW-RR 2009, 1364 |
IBR 2009, 302 |
NJW-Spezial 2009, 237 |
PA 2009, 170 |
OLGR-Nord 2009, 446 |